Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Übergang der Macht; der auserwählte neue, absolute Führer hatte alle Erwartungen übertroffen.
John Tennyson hatte die Listen nach England gebracht, wissend, daß es zwingend geboten war, für sie einen Aufbewahrungsort zu finden, der sicherer war als jede Bank und jeder Möglichkeit einer Überprüfung entzogen. Er hatte diesen geheimen Ort in einer entlegenen Bergwerksstadt in
Wales gefunden, bei einem Sonnenkind, das bereitwillig sein Leben gegeben hätte, um die wertvollen Dokumente zu schützen.
Ian Llewellen, Bruder von Morgan, stellvertretender Kommandant von Beaumonts Argo.
Inzwischen war es fast Zeit, daß der Waliser eintraf. Nachdem er seine Lieferung getätigt hatte, würde das treu ergebene Sonnenkind das Opfer bringen, zu dem er sich erst vor wenigen Tagen verpflichtet hatte, als sie die Straße von Heathrow nach London fuhren. Sein Tod war unerläßlich; niemand durfte von jenen Listen wissen, jene Namen kennen. Und nach seinem Opfer hätten nur noch zwei Männer auf der ganzen Welt den Schlüssel zur Wolfsschanze. Der eine ein stiller Geschichtsprofessor in Berlin, der andere ein Mann, den der britische Geheimdienst schätzte wie keinen anderen - über jeden Verdacht erhaben.
>Abwehr<. Der nächste Punkt.
Tennyson starrte das Blatt Papier neben dem Telefon an; seit einigenStunden lag es nun schon da. Noch eine Liste - Lichtjahre weit entfernt von den Sonnenkindern -: Payton-Jones hatte sie ihm gegeben. Die >Abwehr<.
Acht Namen, acht Männer. Und was die Briten in zwei Tagen nicht erfahren hatten, hatte er in weniger als zwei Stunden herausgebracht. Fünf von diesen Männern waren tot. Drei lebten, und einer von ihnen wartete in einem Sanatorium bei Stuttgart auf den Tod. Blieben zwei: der Verräter Klaus Falkenheim, bekannt als >Herr Oberst<, und ein ehemaliger Diplomat, heute dreiundachtzig Jahre alt, namens Werner Gerhardt, der in der Schweiz in einem Dorf am See von Neuchâtel ein ruhiges Leben führte.
Aber alte Männer pflegten nicht in Flugzeugen über den Atlantik zu reisen und Strychnin in Whisky zu praktizieren. Sie schlugen einen Mann nicht um eines Fotos willen bewußtlos. Sie schossen auch nicht in einem französischen Dorf mit Pistolen auf jenen Mann oder überfielen ihn in Berlin.
Die >Abwehr< hatte jüngere, äußerst fähige Nachwuchskräfte ausgebildet. Sie so geschult, daß sie sich unbedingtem Gehorsam verpflichtet fühlten... so wie alle Jünger der Wolfsschanze.
>Abwehr Morgen würde er es erfahren. Er würde in der Frühe eine Maschine nach Paris nehmen und Falkenheim aufsuchen, den verhaßten Herrn Oberst. Den Meisterschauspieler, den Meisterverräter. Den Verräter des Reiches.
Morgen würde er Falkenheim aufsuchen, und ihn durch die Mangel drehen. Und dann würde er ihn töten.
Draußen ertönte eine Hupe. Tennyson sah auf die Uhr, während er ans Fenster ging. Genau acht Uhr. Unten auf der Straße stand der Wagen des Walisers, und in ihm, in einen Stahlbehälter eingeschlossen, die Listen.
Tennyson holte eine Pistole aus der Schublade und schob sie in das Halfter unter seiner Achsel.
Er wünschte, er hätte die Ereignisse der Nacht hinter sich und säße schon im Flugzeug nach Paris. Er konnte es kaum erwarten, Klaus Falkenheim gegenüberzutreten.
Holcroft saß stumm im Halbdunkel auf der Couch, der Schein eines für ihn unsichtbaren Mondes füllte die Fenster. Es war vier Uhr früh. Er rauchte eine Zigarette. Vor einer Viertelstunde hatte er die Augen aufgeschlagen und nicht mehr einschlafen können. Seine Gedanken beschäftigten sich mit dem Mädchen, das neben ihm lag.
Helden. Sie war die Frau, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte, und doch wollte sie ihm nicht sagen, wo sie lebte oder mit wem. Das war jetzt kein leichtes Spiel mit Worten mehr. Er hatte kein Interesse mehr an Spielen.
»Noel?« Heldens Stimme schwebte über die Schatten.
»Ja?«
»Was ist denn, Darling?«
»Nichts. Ich denke nur nach.«
»Ich habe auch nachgedacht.«
»Ich dachte, du schläfst.«
»Ich habe gespürt, daß du aus dem Bett gestiegen bist. Worüber denkst du nach?«
»Über viele Dinge«, sagte er. »Hauptsächlich über Genf. Es wird bald vorbei sein. Du wirst aufhören können zu fliehen, und ich auch.«
»Daran habe ich auch gedacht.« Sie lächelte ihm zu. »Ich will dir mein Geheimnis verraten.«
»Geheimnis?«
»Es ist gar kein besonders großes, aber ich
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