Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
»Hans, dein Bruder hat wie stets das Wesentliche erfaßt. Aber deine Frage ist mit ja zu beantworten. Ab Samstagmittag ist Holcroft überflüssig. Wenn ich es mir recht überlege, frage ich mich, ob die weiteren vier oder sechs Wochen wirklich wünschenswert sind.«
»Jetzt ärgerst du mich«, sagte der Wissenschaftler. »Ich beuge mich in vielen Dingen deinem ungewöhnlichen Geist, aber in diesem Punkt ist eine Abweichung von der Strategie wirklich nicht angebracht. Holcroft muß zur Verfügung stehen. Wie du gesagt hast, es darf keine Störung geben, bis nicht ›substantielle Fortschritte< erzielt sind.«
»Ich glaube nicht, daß es zu einer solchen Störung kommt«, erwiderte von Tiebolt. »Unsere Väter wären mit der von mir vorgeschlagenen Änderung einverstanden. Ich habe den Zeitplan etwas verkürzt.«
»Du hast was ?«
»Mit dem Wort >Störungen< meinte ich juristische Komplikationen, nicht Holcroft. Gesetzliche Vorschriften sind konstant. Die Lebensdauer eines Menschen ist es nicht.«
»Welchen Zeitplan? Warum?«
»Zweite Frage zuerst, und du kannst sie beantworten.« Johann stand vor dem Stuhl des älteren Kessler. »Was war die wirksamste Kriegswaffe des Reichs? Welche Strategie hätte England in die Knie gezwungen, wenn man nicht gezögert hätte? Wie hießen die Donnerschläge, die die Welt erschütterten? «
» Blitzkrieg «, sagte der Arzt.
»Ja. Schnelle, entschlossene Angriffe, aus heiterem Himmel. Männer und Waffen und Maschinen, die blitzschnell Grenzen überschritten und hinter sich Verwirrung und Verwüstung zurückließen. Ganze Völkerschaften auseinandergerissen, außerstande, die Reihen zu schließen, außerstande, Entscheidungen zu treffen. Der Blitzkrieg, Erich. Das muß jetzt unsere Strategie sein; wir dürfen nicht zögern.«
»Das ist mir zu abstrakt, Johann! Drück dich deutlicher aus!«
»Gut. Erstens: John Tennyson hat einen Artikel geschrieben, der morgen von den Agenturen übernommen und überallhin verbreitet wird. Der Tinamu hat Aufzeichnungen geführt, und es geht die Rede, daß man sie gefunden hat. Namen jener mächtigen Männer, die ihn benutzt haben, Daten, Herkunftsorte der Gelder. Das wird in allen Machtzentren der Welt wie ein Blitz einschlagen. Zweitens: Am Samstag wird in Genf das Dokument unterfertigt und das Geld nach Zürich übermittelt. Sonntag beziehen wir dort unser Hauptquartier; alles ist bestens vorbereitet, sämtliche Kommunikationsmittel funktionieren. Wenn Holcroft bei uns ist, hat Hans ihn narkotisiert, wenn nicht, ist er tot. Drittens: Am Montag sind die Mittel flüssig und befinden sich unter unserer Kontrolle. Nach den Greenwich-Zeitzonen beginnen wir, die Mittel telegrafisch an unsere Leute zu überweisen, wobei wir uns auf die wichtigsten Ziele konzentrieren. Wir fangen hier in Genf an. Dann geht es weiter nach Bonn, Paris, Madrid, Lissabon, London, Washington, New York, Chicago, Houston, Los Angeles und San Francisco. Um fünf Uhr nach Zürcher Zeit erreichen wir den pazifischen Raum. Honolulu, die Marshallinseln, die Gilbertinseln. Um acht Uhr kommen wir nach Neuseeland, Auckland und Wellington. Um zehn ist Australien an der Reihe — Brisbane, Sydney, Adelaide — dann weiter nach Perth, hinüber nach Singapur, in den Fernen Osten. Die erste Phase endet in Neu-Delhi. Auf dem Papier haben wir dann drei Viertel der Weltkugel finanziert. Viertens: nach weiteren vierundzwanzig Stunden — Dienstag — erhalten wir die Bestätigungen, daß die Mittel eingetroffen und in Bargeld umgewechselt worden sind, bereit zum Einsatz. Fünftens: Ich werde von Zürich aus dreiundzwanzig Telefongespräche führen. Ich werde dreiundzwanzig Männer in verschiedenen Hauptstädten erreichen, welche die Dienste des Tinamu genutzt haben. Sie werden erfahren, daß in den nächsten paar Wochen bestimmte Forderungen an sie gestellt werden; man erwartet von ihnen, daß sie diese Forderungen erfüllen. Sechstens: Am Dienstag fängt es an. Der erste Mord wird symbolisch sein.
Der Kanzler in Bonn. Und dann bewegen wir uns nach Art eines Blitzkriegs westwärts.« Von Tiebolt hielt einen Augenblick inne. »Am Dienstag wird Code Wolfsschanze in Gang gesetzt.«
Das Telefon klingelte; zuerst schien niemand es zu hören. Dann nahm von Tiebolt ab.
»Ja?«
Er lauschte schweigend und starrte dabei die Wand an. Schließlich sprach er. »Gebrauchen Sie die Worte, die ich Ihnen gab«, sagte er mit leiser Stimme. »Töten Sie sie.« Er legte auf.
»Was ist?« fragte der
Weitere Kostenlose Bücher