Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Nachricht hinterließ, aus der man entnehmen kann, daß es sich um einen Racheakt portugiesischer Juden handelt. Das Werk Ihres Bruders natürlich. Graff war zu alt, zu rechthaberisch. Er hatte seinen Zweck erfüllt.«
Helden stellte das Cognacglas auf den Boden. Die Frage mußte gestellt werden. »Herr Gerhardt, weshalb haben Sie nie Genf als das enthüllt, was es wirklich war?«
Der alte Mann erwiderte ihren fragenden Blick. »Weil wir damit nur die Hälfte geschafft hätten, nur das halbe Komplott hätten enthüllen können. Man hätte uns natürlich sofort getötet, aber das ist belanglos. Der Rest ist es, worauf es ankommt. «
»Der Rest?«
»Die zweite Hälfte. Wer sind die Sonnenkinder? Wie sind ihre Namen? Wo sind sie? Vor dreißig Jahren hat man eine Liste angefertigt; die muß Ihr Bruder haben. Sie ist umfangreich — Hunderte von Seiten — und muß irgendwo versteckt sein. Von Tiebolt würde sich eher bei lebendigem Leib verbrennen lassen, als dieses Versteck zu verraten. Aber es muß eine zweite Liste geben! Eine kurze — ein paar Seiten nur, vielleicht. Er trägt sie entweder bei sich, oder sie befindet sich zumindest in seiner Nähe. Eine Liste all der Leute, die Geld erhalten sollen. Das werden die Vertrauten der Wolfsschanze sein. Dies ist die Liste, die man finden kann und muß. Sie müssen den Soldaten von Har Sha’alav sagen, daß sie sie finden müssen. Das Geld abstoppen und die Liste finden. Das ist unsere einzige Hoffnung.«
»Ich werde es ihnen sagen«, versprach Helden. »Sie werden sie finden.« Sie sah weg, hing plötzlich einem anderen Gedanken nach. »Wolfsschanze. Selbst der Brief, der vor mehr als dreißig Jahren an Noel Holcroft geschrieben wurde— der Brief, der an ihn appellierte und ihn zugleich bedrohte -, war ein Teil davon.«
»Sie haben im Namen von Adlern an ihn appelliert und gedroht, aber verpflichtet waren sie Bestien.«
»Das konnte er nicht wissen.«
»Nein, das konnte er nicht. Der Name Wolfsschanze ist beeindruckend, ein Symbol der Tapferkeit. Das war die einzige Wolfsschanze, die für Holcroft eine Bedeutung hatte. Er wußte nichts von der anderen Wolfsschanze, jenem gemeinen Zerrbild der echten. Niemand wußte davon. Nur einer.«
»Der Oberst?«
»Falkenheim, ja.«
»Wie ist er entkommen?«
»Durch eine Namensverwechslung.« Gerhardt ging an den offenen Kamin und stocherte in den Holzscheiten herum. »Unter den Riesen der Wolfsschanze war der Befehlshaber des Frontabschnittes Belgien, Alexander von Falkenhausen. Falken hausen , Falken heim . Klaus Falkenheim hatte Ostpreußen verlassen, um an einer Besprechung in Berlin teilzunehmen. Als das Attentat scheiterte, schaffte es Falkenhausen
irgendwie, Falkenheim über Funk zu erreichen und ihn von der Katastrophe zu informieren. Er bat Klaus, nicht zurückzukommen. Er würde der >Falke< sein, den man fangen würde. Der andere >Falke< war Hitler treu ergeben; er würde dafür sorgen, daß das jedem klar war. Klaus hatte Einwände, aber er begriff. Es gab Arbeit für ihn. Jemand mußte überleben.«
»Wo ist Noels Mutter?« fragte Helden. »Was hat sie erfahren? «
»Sie weiß jetzt alles. Wir wollen hoffen, daß sie nicht in Panik geraten ist. Wir haben sie in Mexiko aus den Augen verloren; wir vermuten, daß sie versucht, ihren Sohn in Genf zu erreichen. Es wird ihr nicht gelingen. In dem Augenblick, wo man sie entdeckt, ist sie eine tote Frau.«
»Wir müssen sie finden.«
»Nicht zu Lasten der anderen Prioritäten«, sagte der alte Mann. »Vergessen Sie nicht, es gibt jetzt nur noch eine Wolfsschanze. Sie gilt es zu vernichten, das ist alles, was jetzt wichtig ist.« Gerhardt legte den Schürhaken weg. »Sie werden noch heute abend Dr. Litvak aufsuchen. Sein Haus steht in der Nähe der Klinik, etwas darüber, auf einem Hügel, zwei Kilometer nördlich davon. Es ist ein ziemlich steiler Hügel; das ist gut für seine Funkanlage. Ich geben Ihnen -«
Ein kräftiges Summen erfüllte den Raum. Das Echo von den Wänden war so kräftig, daß Helden die Vibration spürte und aufsprang. Gerhardt wandte sich vom Kamin ab und sah auf ein schmales Fenster oben in der linken Wand. Er schien die Glasscheiben zu studieren, die zu hoch angebracht waren, als daß er durch sie hätte sehen können.
»Da ist ein Nachtspiegel, der Infrarotbilder aufnimmt«, sagte er, ohne den Blick von der Scheibe zu wenden. »Es ist ein Mann. Ich kann ihn sehen, aber ich erkenne ihn nicht. « Er ging an den Schreibtisch, holte eine
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