Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
nahm ihr den Mantel ab und trug sie halb in einen Raum mit einem Untersuchungstisch.
»Man hat auf mich geschossen.«
Litvak legte sie auf den Tisch und zog ihr Rock und Unterrock aus. »Schonen Sie Ihre Kräfte, versuchen Sie nicht zu reden.« Er schnitt den Verband auf und studierte die Wunde. Dann nahm er eine Spritze aus dem Sterilisationsgerät. »Ich werde Sie jetzt ein paar Minuten schlafen lassen.«
»Das dürfen Sie nicht . Dafür ist keine Zeit! Ich muß Ihnen sagen...«
»Ich sagte, ein paar Minuten«, unterbrach der Arzt und schob die Nadel in Heldens Arm.
Sie schlug die Augen auf, und die Umrisse, die sie umgaben, waren unscharf, und von ihrem Bein ging ein taubes Gefühl aus. Als ihr Blick klarer wurde, sah sie den Arzt auf der anderen Seite des Zimmers. Sie versuchte, sich aufzusetzen; Litvak hörte sie und drehte sich um.
»Das hier sind Antibiotika«, sagte er. Er hielt ein Fläschchen mit Pillen in der Hand. »Einen Tag lang alle zwei Stunden, dann alle vier. Was ist passiert? Sagen Sie es mir schnell. Ich gehe dann zur Hütte hinunter und erledige das Notwendige.«
»Die Hütte? Sie haben es gewußt?«
»Sie haben in Ihrer Bewußtlosigkeit geredet; das tun die Leute meistens nach einem Schock. Sie haben ein paarmal >Abwehr< gesagt. Dann ›Johann‹. Ich nehme an, das ist von Tiebolt, und Sie sind seine Schwester — die, die bei Falkenheim gewesen ist. Es geht also los, nicht wahr? Die Erben sammeln sich in Genf. «
»Ja.«
»Das habe ich mir schon heute morgen gedacht. Die Nachrichten aus der Negeb sind schrecklich. Die haben uns gefunden, Gott allein weiß, wie.«
»Was für Nachrichten?«
»Har Sha’alav.« Der Arzt griff nach der Flasche; an seinem Unterarm schwollen die Venen an. »Ein Überfall. Häuser bombardiert, Leute massakriert, Felder niedergebrannt. Die Zählung der Toten ist noch nicht abgeschlossen, aber die Schätzungen belaufen sich auf über 170. Hauptsächlich Männer, aber auch Frauen und Kinder.«
Helden schloß die Augen; es gab keine Worte für sie.
»Die Ältesten sind bis auf den letzten Mann getötet worden. In den Gärten hingeschlachtet. Es heißt, das Ganze sei das Werk von Terroristen gewesen, der RACHE. Aber das ist nicht wahr. Das war die Wolfsschanze. Kämpfer der RACHE würden niemals Har Sha’alav angreifen; sie wissen, was geschehen würde. Juden von jedem Kibbuz, jeder Kommandoeinheit würden auf sie Jagd machen.«
»Gerhardt hat gesagt, Sie sollten ein Telegramm nach Har Sha’alav schicken«, flüsterte Helden.
Litvaks Augen umwölkten sich. »Da ist jetzt nichts mehr zu telegrafieren. Es gibt niemanden mehr. Jetzt sagen Sie mir, was unten am See geschehen ist.«
Das tat sie. Als sie fertig war, half ihr der Arzt vom Tisch und trug sie in ein großes, rustikal eingerichtetes Wohnzimmer. Er setzte sie auf die Couch und faßte zusammen:
»Genf ist das Schlachtfeld, und wir dürfen keine Stunde vergeuden. Selbst wenn man Har Sha’alav erreichen könnte, wäre das sinnlos. Aber in London ist ein Mann von Har Sha’alav; man hat ihm befohlen, dort zu bleiben. Er ist Holcroft nach Portsmouth gefolgt. Er war es, der die Fotografie aus Holcrofts Tasche geholt hat.«
»Das war ein Bild von Beaumont«, sagte Helden. »ODESSA.«
»Wolfsschanze«, verbesserte Litvak. »Ein Sonnenkind . Eines von Tausenden, aber auch einer der wenigen, die mit von Tiebolt zusammenarbeiteten. «
Helden richtete sich auf. Sie runzelte die Stirn. »Die Akten. Beaumonts Akten . Sie ergaben keinen Sinn.«
»Was für Akten?«
Sie berichtete dem aufgeregten Arzt von den widersprüchlichen Informationen, die sie in Beaumonts Marineakten gefunden hatte. Und von der ganz ähnlichen Akte von Beaumonts Stellvertreter Ian Llewellen.
Litvak schrieb sich den Namen auf seinen Notizblock. »Wie bequem. Zwei Männer der Wolfsschanze, die ein elektronisches Aufklärungsschiff kommandieren. Wie viele von ihrer Art es wohl geben mag? An wie vielen Orten?«
»Llewellen ist neulich in den Zeitungen zitiert worden. Als Beaumont und Gretchen —« Sie konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
»Lassen Sie nur«, sagte der Arzt. »Die Sonnenkinder haben ihre eigenen Regeln. Llewellen ist ein Name, den man der Liste hinzufügen muß, die sich in Genf finden wird. Gerhardt hatte recht. Das Allerwichtigste ist nun, daß diese Liste von uns gefunden wird. Das ist ebenso wichtig wie das Einfrieren des Geldes. In mancher Hinsicht vielleicht sogar noch wichtiger. «
»Warum?«
»Das
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