Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Irgend etwas anderes zu tun würde Verdacht erregen. Aber was wollte Holcroft erreichen? Was würde er zu dem Empfangsangestellten sagen? Wahrscheinlich war es nicht wichtig. Sobald die Mutter aus dem Weg geschafft war, war es nur noch notwendig, Holcroft bis morgen vormittag in Funktion zu halten. Ab Mittag würde er nicht mehr benötigt werden.
Noel wartete an der dunklen Straßenecke unten an der Rue des Granges. Er war auf das, was er gleich tun würde, nicht stolz, aber der Zorn, der ihn erfüllte, hatte jegliches Gefühl von Moral in ihm betäubt. Der Anblick von Willie Ellis hatte etwas in seinem Kopf zerreißen lassen. Sein Anblick beschwor andere Bilder in ihm herauf: Richard Holcroft, von einem absichtlich außer Kontrolle geratenen Wagen an einer Hausmauer zerquetscht. Strychninvergiftung in einem Flugzeug und der Tod in einem französischen Dorf. Und Mord in Berlin. Und ein Mann, der seiner Mutter gefolgt war... Er würde nicht zulassen, daß sie ihr nahe kamen! Es war vorbei ; er würde selbst für ein Ende sorgen.
Jetzt kam es darauf an, alles einzusetzen, jeden Funken Kraft, den er besaß, alles, woran er sich erinnerte. Und der Mord in Berlin war es, der ihm jenes Faktum lieferte, das ihm jetzt helfen würde. In Berlin hatte er die Mörder zu Erich Kessler geführt. Er war dumm gewesen, unvorsichtig — und sie waren ihm zu einer Gaststätte am Kurfürstendamm gefolgt. Kessler und Holcroft; Holcroft und Kessler. Wenn jene Killer Holcroft suchten, würden sie Kessler nicht aus den Augen lassen. Und wenn Kessler das Hotel verließ, würden sie ihm folgen.
Holcroft sah auf die Uhr. Die Zeit für den Anruf war da; er ging über das Pflaster auf die Telefonzelle zu. Er hoffte, daß Erich sich melden würde. Und ihn später verstünde.
Kessler stand in der Hotelhalle vor dem Telefon, einen Zettel in der Hand. Auf den Zettel hatte der verblüffte Angestellte seinen Namen geschrieben; die Hand des Mannes hatte gezittert, als er das Geld entgegengenommen hatte. Professor Kessler wäre dankbar, wenn er erfahren könnte, was Mr. Holcroft dem Angestellten gesagt hatte. Das wünschte Mr. Holcroft auch. Und der Angestellte würde es nicht zu bereuen brauchen. Die kleine Information würde ihm zusätzliche fünfhundert Franken einbringen.
Das Telefon klingelte; Erich hielt den Hörer in der Hand, ehe das Klingeln ganz verstummt war. »Noel?«
»Wie heißt der Angestellte?«
Kessler nannte den Namen.
»Fein.«
»Und jetzt bestehe ich darauf, daß wir uns sehen«, sagte Erich. »Es gibt eine Menge, was Sie erfahren sollten. Morgen ist ein sehr wichtiger Tag.«
»Nur wenn wir heute nacht überstehen. Wenn ich sie heute nacht finde. «
»Wo sind Sie? Wir müssen uns sehen.«
»Das werden wir. Hören Sie gut zu. Warten Sie fünf Minuten neben dem Telefon. Es kann sein, daß ich Sie noch einmal anrufen muß. Wenn ich das nicht tue — innerhalb von fünf Minuten -, dann gehen Sie hinaus und den Hügel hinunter. Am Fuß des Hügels biegen Sie nach links und gehen weiter. Ich warte dann auf der Straße auf Sie.«
»Gut! In fünf Minuten also.« Kessler lächelte. Die kleinen Spielchen, die dieser Amateur trieb, waren nutzlos. Er würde ohne Zweifel den Angestellten am Empfang bitten, eine Nachricht oder eine Telefonnummer an seine Mutter durchzugeben, falls und wenn sie ihn anrufen sollte— ihn, den nicht registrierten Gast; soviel dazu. Vielleicht hatte Johann recht: vielleicht hatte Holcroft die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit erreicht. Vielleicht war der Amerikaner doch kein potentielles Sonnenkind .
In der Halle des d’Accord waren immer noch Polizisten sowie ein paar Journalisten, die hinter den etwas vagen Berichten von einem Raubüberfall, die die Polizei verbreitet hatte, eine Story witterten. Schließlich war dies Genf. Und dann gab es die Neugierigen — Gäste, die herumstanden, miteinander redeten, sich gegenseitig beruhigten, einige von ihnen verstört und einige auf Sensationen erpicht.
Erich blieb stehen, wo er war, mied die Menge, war darauf bedacht, so wenig wie möglich aufzufallen. Er war überhaupt nicht gern in der Halle; er zog die Anonymität seines Zimmers vor.
Er sah auf die Uhr; vier Minuten waren seit Holcrofts Anruf verstrichen. Wenn der Amerikaner nicht in der nächsten Minute anrief, würde er wieder an den Empfangstisch gehen und...
Der Angestellte kam auf ihn zu, er wirkte unsicher, man spürte, daß ihn Zweifel plagten. »Herr Professor?«
»Ja, mein
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