Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Entscheidungen treffen.«
»Entscheidungen? Was für gottverfluchte Entscheidungen? Für mich hat der keine Entscheidungen zu treffen! Und Sie auch nicht! Gehen Sie mir aus dem Weg!«
Kessler bewegte sich nicht, und so packte Noel ihn bei den Schultern und riß ihn von der Tür weg. Holcroft rannte in den Korridor hinaus, auf das Treppenhaus zu.
44.
Die Torflügel des Anwesens öffneten sich; das Dienstfahrzeug rollte zwischen ihnen durch. Der Polizist nickte dem Wächter zu und blickte vorsichtig durch das Fenster auf den Dobermann, der an seiner Kette zerrte, bereit, anzugreifen. Er wandte sich Mrs. Holcroft zu.
»Das Gästehaus ist vier Kilometer vom Tor entfernt. Wir nehmen die Straße, die nach rechts abbiegt, abseits von der eigentlichen Zufahrt.«
»Wenn Sie es sagen«, meinte Althene.
»Ich sage Ihnen das, weil ich noch nie hier gewesen bin. Ich hoffe, daß ich in der Dunkelheit den Weg finde.«
»Ganz sicher werden Sie das.«
»Ich soll Sie dort absetzen und wieder zu meinen normalen dienstlichen Verpflichtungen zurückkehren«, sagte er. »Im Gästehaus ist niemand, aber man hat mir gesagt, daß der vordere Eingang offen sein wird.«
»Ich verstehe. Mr. Tennyson erwartet mich?«
Der Polizeibeamte schien zu zögern. »Er wird in Kürze eintreffen. Er wird Sie natürlich zurückfahren.«
»Natürlich. Sagen Sie mir, kommen Ihre Anweisungen von Mr. Tennyson?«
»Meine augenblicklichen Instruktionen ja. Nicht die Anweisungen im allgemeinen, sie kommen vom stellvertretenden Staatsratspräsidenten über den Polizeipräsidenten.«
»Vom stellvertretenden Staatsratspräsidenten? Vom Polizeipräsidenten? Sind das Freunde von Mr. Tennyson?«
»Das nehme ich an, Madame. Mr. Tennyson muß wirklich ein sehr wichtiger Mann sein.«
»Aber Sie sind kein Freund von ihm?«
Der Mann lachte. »Ich? O nein, Madame. Ich bin dem Herrn nur kurz begegnet. Wie gesagt, es handelt sich um ein behördliches Entgegenkommen.«
»Ich verstehe. Glauben Sie, daß Sie mir persönlich entgegenkommen könnten?« fragte Althene und öffnete ostentativ ihre Handtasche. »Auf vertraulicher Basis?«
»Das kommt darauf an, Madame ...«
»Nur ein Telefonanruf bei einer Freundin, die sich vielleicht meinetwegen Sorgen macht. Ich habe vergessen, sie vom Bahnhof aus anzurufen.«
»Aber gerne«, sagte der Beamte. »Da Sie mit Mr. Tennyson befreundet sind, nehme ich an, daß auch Sie eine wichtige Besucherin Genfs sind.«
»Ich schreibe Ihnen die Nummer auf. Eine junge Dame wird sich melden. Sagen Sie ihr genau, wohin Sie mich gebracht haben.«
Das Gästehaus hatte eine hohe Decke, Gobelins an den Wänden und französische Bauernmöbel. Es gehörte ins Loiretal, als Nebengebäude eines großen Chäteau.
Althene saß in einem wuchtigen Sessel. Die Pistole, die Yakov Ben-Gadíz gehörte, war zwischen den Kissen und der Armlehne eingeklemmt. Der Polizeibeamte war vor fünf Minuten weggefahren, jetzt wartete sie auf Johann von Tiebolt.
Die Versuchung, in dem Augenblick zu schießen, in dem von Tiebolt durch die Türe trat, war beinahe überwältigend, aber sie mußte sie unterdrücken. Wenn es Dinge gab, die sie erfahren konnte, mußte sie sie erfahren. Und wäre es nur, um sie an den Israeli oder das Mädchen weiterzuleiten.
Er war eingetroffen; das leise, vibrierende Geräusch eines Automotors draußen bewies das. Sie hatte den kraftvollen Motor vor Stunden gehört, als der dazugehörende Wagen auf einem verlassenen Stück Straße über dem Genfer See anhielt. Sie hatte zwischen den Bäumen zugesehen, wie der blonde Mann getötet hatte. So wie er Stunden später brutal in Atterrisage Medoc getötet hatte. Ihn vom Leben zum Tod zu bringen, wäre ein gutes Recht. Sie berührte den Kolben der Waffe und fühlte sich in ihrer Zielsetzung sicher.
Die Tür öffnete sich, und der große Mann mit dem glänzend blonden Haar und den feingemeißelten Zügen trat ein. Er schloß die Tür; seine Bewegungen wirkten in der weichen, indirekten Beleuchtung graziös.
»Mrs. Holcroft, sehr freundlich, daß Sie gekommen sind.«
»Ich war es, die um die Zusammenkunft gebeten hatte. Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie das arrangiert haben. Ihre Vorsichtsmaßnahmen waren höchst lobenswert. «
»Sie scheinen der Ansicht zu sein, daß sie notwendig waren.«
»Kein Auto hätte uns vom Bahnhof her verfolgen können. «
»Das hat auch keines. Wir sind allein.«
»Das ist ein angenehmes Haus. Mein Sohn würde es interessant finden.
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