Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
die nicht im Telefonbuch aufgeführt sind, aber sie haben keine.«
»Sind Sie sicher, daß die Leute, die Sie suchen, in Rio sind?«
»Das waren sie, als man zuletzt von ihnen hörte. Und wie man mir sagt, ist in den zwei anderen Großstädten Brasiliens auch nachgefragt worden, mit Hilfe der Telefongesellschaften. «
»Sie machen mich neugierig, Mr. Holcroft. Ist es so wichtig, daß man diese Leute findet? Was haben sie denn getan? Aber Sie sagten ja, daß es nicht um ein Verbrechen geht.«
»Ja. Ich weiß sehr wenig. Einer meiner Freunde in New York, ein Rechtsanwalt, wußte, daß ich hierher reise, und hat mich gebeten, mein möglichstes zu tun, um diese Familie ausfindig zu machen. Anscheinend haben ihr Verwandte etwas Geld hinterlassen.«
»Eine Erbschaft?«
»Ja.«
»Dann müßte doch ein Anwalt hier in Rio...«
»Mein Freund hat an einige Anwaltskanzleien hier etwas geschickt, das er >Suchaufforderung< nannte«, sagte Noel und erinnerte sich an die Worte des Attachés in New York. »Es gab keine befriedigende Antwort.«
»Wie hat er das erklärt?«
»Gar nicht. Er war nur ärgerlich. Wahrscheinlich war es nicht genug Geld, daß es sich für die drei Anwälte gelohnt hätte, sich ins Zeug zu legen.«
»Drei Anwälte?«
»Ja«, erwiderte Noel und staunte über sich selbst. Er füllte die Lücke instinktiv, ohne nachzudenken. »Da ist der Anwalt in Chicago — oder St. Louis -, die Kanzlei meines Freundes in New York und die hier in Rio. Ich glaube nicht, daß eine Außenstehenden gegenüber vertraulich zu behandelnde Sache auch zwischen Rechtsanwälten vertraulich ist. Vielleicht lohnte es nicht, die Gebühr in drei Teile zu teilen.«
»Aber Ihr Freund ist ein gewissenhafter Mann.« Graffs Augenbrauen hoben sich wohlwollend. Wirklich wohlwollend? dachte Holcroft.
»So würde ich das gerne sehen.«
»Vielleicht kann ich behilflich sein. Ich habe Freunde.«
Holcroft schüttelte den Kopf. »Das könnte ich nicht von Ihnen verlangen. Sie habe heute nachmittag schon genug für mich getan. Wie gesagt, es ist nicht so wichtig.«
»Natürlich«, sagte Graff und zuckte die Achseln. »Ich will mich nicht in vertrauliche Dinge einmischen.« Der Deutsche blickte zum Fenster hinüber und kniff die Augen zusammen. Die Sonne begann hinter dem Bergmassiv im Westen zu versinken. Orangerotes Licht strömte durch das Glas und ließ das dunkle Holz des Arbeitszimmers in einem warmen Glanz erstrahlen.
»Der Name der Familie lautet von Tiebolt«, sagte Noel und musterte das Gesicht des alten Mannes. Aber was auch immer er erwartet hatte, nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was er jetzt sah.
Die Augen des alten Mannes öffneten sich plötzlich weit, und ihr Blick war von Abscheu erfüllt. »Sie sind ein Schwein «, sagte der Deutsche, und seine Stimme war dabei so leise, daß man sie kaum hören konnte. »Das Ganze war ein Trick, ein raffinierter Trick, um sich in mein Haus einzuschleichen! Zu mir zu kommen!«
»Sie irren, Mr. Graff. Sie können meinen Klienten in New York anrufen...«
» Schwein...! « schrie der alte Mann. »Die von Tiebolts!
Diese Verräter ! Dieses widerliche Pack! Diese Feiglinge! Wie können Sie es wagen !«
Noel starrte den anderen wie gebannt und hilflos an. Graffs Gesicht war vor Wut verfärbt, die Adern an seinem Hals traten hervor, seine Augen glühten, und seine Hände zitterten, versuchten sich an der Armlehne festzuklammern.
»Ich verstehe nicht«, sagte Holcroft und stand auf.
»Sie verstehen schon... Sie Abschaum ! Sie suchen die von Tiebolts! Sie wollen sie wieder ins Leben rufen!«
»Sind sie tot ?«
»Beim Allmächtigen, wenn sie es nur wären !«
»Mr. Graff, hören Sie mir zu. Wenn Sie etwas wissen -«
» Verlassen Sie mein Haus! « Der alte Mann stemmte sich aus seinem Stuhl hoch und schrie in Richtung auf die geschlossene Tür seines Arbeitszimmers: »Werner! Komm her!«
Graffs Assistent stürzte ins Zimmer. »Herr? Was ist -«
»Schaff diesen Betrüger weg! Er soll mein Haus verlassen!«
Der Assistent sah Holcroft an. »Hier lang. Schnell! «
Noel griff nach seinem Aktenkoffer und ging eilig auf die Türe zu. Dort drehte er sich um und warf einen letzten Blick auf den wütenden Graff. Der alte Deutsche stand wie eine monströse, groteske Gliederpuppe da, die ein Zittern schüttelte.
»Hinaus! Sie sind widerwärtig !«
Das war Noel zuviel. Nicht er war es, der widerwärtig war; es war diese arrogante Gestalt vor ihm, dieses aufgedunsene Bild des
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