Der Hollywood-Mord
einem französischen Stück aus dem 18. Jahrhundert, wie man es selten in einer Absteige findet. Immerhin hatte Plato Jones Stil gehabt, wenn er überhaupt was gehabt hatte, und auf seiner Beerdigung kam glatt so was wie Sentimentalität auf unter den zwei Kongreßabgeordneten, drei Stadtratsmitgliedern, einem Verbraucherfunktionär, zwei Dutzend Plattenstars, einem libanesischen Opiumschmuggler und dreizehn Huren.
Nach sechswöchigen Ermittlungen, die allen an den Nerven zerrten, vor allem Captain Woofer, weil er ununterbrochen von einem Abgeordneten aus dem Rathaus angerufen wurde, der sich um eine 10.000-Dollar-Wahlkampfspende von Plato Jones Sorgen machte und diesen verdammten Fall endlich gelöst sehen wollte, wurde der Fall dem eingespielten und cleveren Team Al Mackey und Martin Welborn übergeben, mit dem Befehl, die Untersuchungsergebnisse der erfolglosen Kollegen Schultz und Simon Schritt für Schritt zu überprüfen.
Dazu brauchten Al Mackey und Martin Welborn genau drei Tage. Zuerst einmal war das halbleere Weinglas eine handfeste Spur. Drei von Platos Huren wurden von einem Polizeispitzel aufgestöbert, und sie gaben zu, in der fraglichen Nacht in der Absteige ein und aus gegangen zu sein. Zwei von ihnen wußten's nicht mehr genau, sagten aber, es »könnte« durchaus das eine oder andere Gläschen Wein getrunken worden sein. Und, dem Himmel sei Dank, Plato Jones, stellte sich heraus, hatte irgendwann mal entdeckt, daß schwarze Handschuhe die Freier unheimlich antörnten. Ergo, da das zur Mode geworden war, keine Fingerabdrücke! Kein Lippenstift auf dem Glas? Baby, denkste, du hast auch noch ne Spur von Lippenstift am Mund, wenn du dir bei drei oder vier von diesen aufgetakelten Fettsäcken aus Brentwood mit ihren schlappen Schwänzen die Augen aus dem Kopp gelutscht hast? (Die Erinnerung an diese Bemerkung traf Al Mackey an seiner empfindlichsten Stelle.)
Das eigentliche Problem war, daß die abgefeuerte 32er Patronenhülse senkrecht oben auf dem Schrank gestanden hatte. Die Erleuchtung kam Al Mackey wie ein Blitz. Der Beweis für die Erleuchtung war nach drei zermürbenden Stunden gefunden worden, in denen er genau da stand, wo Plato Jones einen Schuß durch die rechte Schläfe eingefangen hatte. Martin Welborn filmte Al Mackey mit der Videokamera, wie er so dastand, die Tatwaffe in Höhe der Schläfe, wie er eine leere Patrone abfeuerte, die dann aber keineswegs direkt in die Zimmerecke, sondern hoch in die Luft flog, um dann, voila!, genau auf dem Schrank zu landen, in aufrechter Position, als ob jemand sie dort hingestellt hätte.
Was das Videoband nicht zeigte, waren die 231 Versuche, bei denen die Patrone abgefeuert wurde, die Hülse aber alles andere als senkrecht gelandet war. Bei genauerer Prüfung hätte man zehnmal mehr Schnitte in den Videobändern als in den Tonbändern, die man Ex-Präsident Nixon in die Schuhe schob, erkennen können. Al Mackey und Martin Welborn beschlossen gemeinsam und für sich, die Chancen würden 231 zu 1 stehen, daß der Zuhälter sich das Gehirn selbst aus dem Kopf gepustet hatte. Das war reichlich kühn. Aber statistisch viel besser als die Gewinnchancen, die Plato Jones jemals zu Lebzeiten seinen Kunden eingeräumt hatte. Der Deputy Chief war glücklich. Captain Woofer war regelrecht high. Der Abgeordnete aus dem Rathaus geriet in Ekstase. Der Fall war geklärt.
»Ich möchte, daß Sie den Nigel-St.-Claire-Fall übernehmen. Ich hab Schultz und Simon heute morgen schon informiert, bevor Sie kamen. Zehn Minuten zu spät.«
»Ärger mit dem Auto, Cap«, sagte Al Mackey.
»Warum sollten Sie Ärger mit dem Auto haben? Das Department hat Mechaniker, wie Sie wissen. Was meinen Sie, warum dürfen Sie Ihren Dienstwagen mit nach Hause nehmen? Wissen Sie eigentlich, wieviel Benzinkosten Sie sparen, wenn Sie den Dienstwagen mitnehmen dürfen?« Captain Woofer hatte heute seinen besonders weinerlichen Tag.
»Nun ja, wir sind ja auch rund um die Uhr abrufbereit, Skipper«, meinte Al Mackey.
»Von Mordermittlern wird verlangt, daß sie immer abrufbereit sind, Mackey.« Captain Woofer wälzte sich schmerzgepeinigt auf dem Gummiringkissen hin und her.
Martin Welborn sagte nichts. Er saß nur da und lächelte fröhlich vor sich hin, seine etwas leeren Augen suchten keinen Kontakt. Al Mackey beobachtete Martys abwesende braune Augen mehr, als er Captain Woofer beachtete, der zu jeder Zeit wachsam war. Captain Woofer hatte in diesem Jahr zwei Beförderungen sabotiert
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