Der Hollywood-Mord
Monat Geld zu überweisen? Wie konnte er es ertragen, das Formular für diese idiotische Zahlungsanweisung einmal im Monat überhaupt erst mal zu kaufen? Und dann die Steuer! In diesem Jahr würde er (falls er lange genug in Freiheit blieb) seine erste Lohnsteuerkarte einreichen müssen. Der Gedanke daran erfüllte ihn mit soviel Enttäuschung und Wut, daß er am liebsten schreiend und brüllend mit offener Hose die Cole Avenue runtergerannt wäre. Oder vielleicht der erstbesten Frau unter den Rock gegriffen hätte, die für zwei Dollar fünfzig Benzin tanken wollte. Er hätte auch den nächstbesten Burschen vom Rad boxen können, der hereingewieselt kam, um ihn zu bitten, seinen Reifen aufzupumpen.
Wilfred James Boyle hatte sich aus seinem eigenen langweiligen Arbeiterklasse-Familienleben in Tulso abgeseilt, als er fünfzehn Jahre alt war. In den folgenden achtzehn Jahren hatte er in elf Zuchthäusern und Gefängnissen gesessen. Und Folsom, das schlimmste von allen, war immer noch besser gewesen als das verflucht langweilige Haus in Glendale, wo Samuel Billings mit seiner langweiligen Frau und seinen langweiligen Kindern lebte und glaubte, er lebte im Schlaraffenland. Und weil er ein intelligenter Strafentlassener war, begriff Wilfred James Boyle sehr wohl, welches Handicap alle Samuel Billings dieser Welt haben, worauf sie auch noch besonders stolz sind: ihr Gewissen. Für Wilfred James Boyle war das ungefähr so schlimm, wie mit einem Klumpfuß geboren worden zu sein. Und Samuel Billings langweilte ihn entsetzlich mit seinem ständigen Geschwafel, wie glücklich man darüber sein müßte!
Wie etwa drei Viertel der rückfälligen Strafentlassenen, die den größten Teil ihres Lebens hinter Steinmauern und Stacheldraht verbracht haben, brauchte auch Wilfred James Boyle seine höchst eigene Art von vollkommener Ordnung. Dafür hatte schon das Gefängnis gesorgt. Und wenn er dann in Freiheit war während seines »Knasturlaubs« – das heißt, zwischen seinen verschiedenen Verurteilungen –, brauchte er Action. Und das hieß nicht mehr und nicht weniger als: Sperr mich ein, oder es passiert was. Etwas Schreckliches.
Schultz und Simon waren davon überzeugt, daß er ursprünglich niemals vorhatte, Samuel Billings zu erschießen. Wahrscheinlich war er bloß mal reingekommen, nachdem er drei Reifen gewechselt, viermal Wagen abgeschmiert und irgendeinen kleinen Motorschaden behoben hatte, er hatte Scheiße gebrüllt, dann war sein eigener Motor sauer gelaufen. Er mußte erst mal wieder klar denken.
Wahrscheinlich hatte er bloß mal einen Blick auf Samuel Billings 38er Revolver geworfen, den er blödsinnigerweise in dem Büroschrank einschloß, in dem sie auch die Ölfilter und Zündkerzen aufbewahrten. Blödsinnig deshalb, weil sich Samuel Billings, der einst Quartiermeister in Guam während des Zweiten Weltkrieges gewesen war und als loyaler Anhänger der American League zu den meisten Treffen und allen Konventen ging, möglicherweise schon früher in Lebensgefahr hätte bringen können, etwa bei dem Versuch, sich mit dem Revolver gegen den netten Gangster zu verteidigen, der ihn damals ausgeraubt hatte.
Nach Schultz' und Simons Ansicht mußte Samuel Billings, ölverschmiert und in Gedanken schon bei den Fleischklöpsen mit Kartoffelbrei, die er sich in den dicken Bauch stopfen wollte, hereingekommen sein und dann geglaubt haben, seinen Augen nicht trauen zu können, als er Wilfred James Boyle dabei erwischte, wie er gerade seinen Safe ausraubte, um sich dann für immer aus dem Staub zu machen.
Möglicherweise hatte Samuel Billings sogar noch versucht, mit dem jüngeren Mann vernünftig zu reden. Aber selbst, wenn Wilfred James Boyle fähig gewesen wäre, seine Ansichten über das Knastleben und Action zu artikulieren, ist es zweifelhaft, ob Samuel Billings es überhaupt für möglich gehalten hätte, daß sein gewissenhafter Angestellter, sein Protegé, sein Freund, ihm jemals was antun würde. Jedenfalls hat Wilfred James Boyle, geprägt vom Leben in den elf wohl härtesten Gefängnissen, den Cops nie gestanden, wie es wirklich zur Tat kam. Aber vielleicht hatte Samuel Billings, als er einsah, daß seine Überredungsversuche vergeblich waren, blitzschnell nach seinem Revolver in der Hand des jungen Mannes gegriffen. Nicht unbedingt, um die dreitausend Dollar zu retten, sondern vielmehr den jungen Mann.
Als Schultz und Simon am Tatort ankamen, war Wilfred James Boyle mitsamt dem Geld längst auf dem Weg nach
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