Der Hollywood-Mord
Tijuana. Dort allerdings erkannte Wilfred James Boyle dann innerhalb von zwei Wochen, daß die Mexikaner die Leute, die sie bei einem Raubüberfall erwischen, in Gefängnisse werfen, gegen die Folsom das reinste Bel-Air-Luxushotel ist. Und falls man einen mexikanischen Samuel Billings ins Jenseits pustet, bieten sie einem sofort die letzte Zigarette und eine Augenbinde an. Also setzte sich Wilfred James Boyle wieder über die Grenze nach San Diego ab, raubte eine andere Tankstelle aus, wurde festgenommen und landete schließlich in den frustrierten Riesenpfoten von Schultz und Simon.
Die Waffe, die Wilfred James Boyle neben dem sterbenden Samuel Billings hatte liegen lassen, wurde vom ersten Polizisten am Tatort gefunden, der aus lauter Neugier die Trommel öffnete und sie gleich wieder schloß. Was keine Katastrophe gewesen wäre, wenn Samuel Billings nicht dreißig Minuten später im Operationssaal sein Leben ausgehaucht hätte, und Wilfred James Boyle, als einziger Zeuge, behauptet hätte, er habe seinen Arbeitgeber lediglich ausrauben wollen. Sein Boß habe dann zum Revolver gegriffen, er habe mit Samuel Billings gekämpft, und unglücklicherweise habe sich dabei ein Schuß gelöst und Samuel Billings in den Bauch getroffen. Was Wilfred James Boyle in seiner Aufregung vergaß: die veraltete Munition hatte eine Fehlzündung. Zweimal hatte sie versagt, ein Schuß war abgefeuert worden. Da jedoch der erste Blauuniformierte am Tatort die Trommel geöffnet und wieder geschlossen hatte und damit die Schußfolge nicht mehr festzustellen war, konnten Schultz und Simon nie mehr beweisen, ob Samuel Billings nicht bei einer anderen Gelegenheit ein paarmal auf eine Katze oder eine Ratte geschossen hatte (die Hypothese der Verteidigung) und dabei zwei Versager im Revolver zurückgeblieben waren.
Auf diese Weise widerlegte die Verteidigung die Behauptung von Schultz und Simon, Wilfred James Boyle habe dreimal skrupellos abgedrückt, und dreimal ist kein unglücklicher Zufall, Wilfred-Baby.
Aber wie Jurys es zu tun pflegen, kauften sie Wilfred James Boyle seine Story ab, und er wurde vom Mord an Samuel Billings freigesprochen. Und er handelte seinen Raubüberfall auf schweren Diebstahl herunter, nachdem der Richter, der in den letzten Jahren ziemlich senil geworden war, ebenfalls der Meinung war, Samuel Billings habe den Revolver sehr wahrscheinlich bei früherer Gelegenheit benutzt, um in der Cole Avenue auf Ratten zu schießen. Und das, obwohl Schultz darauf bestand und die Jury vor Gericht eindringlich bat, ihm zu glauben, daß die Ratten, die zu nächtlicher Stunde auf der Cole Avenue herumhängen, nicht unbedingt Schnurrhaare und große Ohren haben, womit er den Richter um ein Haar dazu gebracht hätte, das Verfahren auf der Stelle einzustellen.
Und ausgerechnet diesen Richter hatte Schultz bis dahin so außerordentlich bewundert. Tatsächlich erinnerte er sich sehr oft und nur allzu gern an den Tag, an dem der Richter einem Zuhälter vom Sunset Boulevard eine Tausend-Dollar-Geldstrafe aufbrummte, nur weil der seine Hauptnutte nach Strich und Faden verprügelt hatte, obwohl die sogar noch vor Gericht aufkreuzte und dem Richter erzählte, daß sie so was ab und zu ganz gern hätte, um sich auf Trab bringen zu lassen. Der Zuhälter grinste daraufhin unverschämt, stolzierte auf seinen hohen Absätzen herum, öffnete seine pflaumenfarbene Samtweste, griff in die Tasche seines 150-Dollar-Gianni-Versace-Leinenhemds und sagte: »Gucken Sie mal, Richter. Tausend Dollar … ich hab noch jede Menge Mäuse in der Tasche.«
Und der Richter grinste zurück und sagte: »Dann greifen Sie doch bitte mal ins andere Täschchen und zeigen Sie mir, wo Sie die dreißig Tage haben!«
Aber inzwischen war der Richter nur noch senil, und für Schultz war wieder einer seiner Helden gestorben. Die wirklich schlimmste Erinnerung an den Billings-Fall, die Schultz hatte und die sogar Simon von Zeit zu Zeit durch den Kopf ging, war der Anblick von Samuel Billings auf dem Boden der Tankstelle gewesen. Vielleicht war's deshalb so schlimm, weil sie ihn vom ersten Raubüberfall her kannten. Er blutete aus dem Mund und wurde schon grau, aber trotzdem starrte er pausenlos mit großen, angsterfüllten Augen auf das kleine Loch in seinem gewaltigen Bauch. Und dann hatte er Schultz angesehen, und in seinen Augen stand unausgesprochen die eine Frage.
Die Frage, ob er sterben müßte.
Schultz wußte, daß die Kugel in seinem Körper schlimmste
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