Der Hort der Waechter
zu wissen, worum es sich handelte. Seit über dreihundert Jahren war dem Vampir dieser Geruch vertraut wie kaum ein anderer. Blut .
Der Adler sah auf - und seine tierische Kehle gebar einen fast menschlichen Schrei des Entsetzens!
Ein blasser Arm hing von einer Felsnase über ihm. Dunkles Haar wehte an anderer Stelle über die gezackte Kante. Und dazwischen lief ein dunkles Rinnsal über den Stein, um sich tropfenweise davon zu lösen .
Liliths Blut .!
*
Spätestens als er sich endlich wieder erhob, spürte Salvat, daß ihm seine Kraft nicht mehr im vorherigen Maße zur Verfügung stand. Ein Teil der ausgesandten und dann überstürzt zurückbefohlenen Macht war unwiederbringlich vergangen an dem Schild, das er gegen die unkontrollierbare Geistesflut errichtet hatte. Natürlich würde sich ihr Fehlen im Laufe der Zeit ausgleichen. Seine Kräfte würden sich regenerieren, so wie Wunden verheilten.
Aber es würde nicht bis zu jenem Zeitpunkt geschehen sein, da er seiner ganzen Macht bedurfte - und vielleicht würde sie nicht einmal in ihrer unversehrten Gesamtheit genügen .
Salvat verbannte alle Sorge und Zweifel. Es war passiert und nicht mehr zu ändern. Er mußte mit dem zurechtkommen, was ihm geblieben war, und er mußte versuchen, das Beste daraus zu machen.
Zudem stand er nicht allein gegen das, was da kommen sollte .
Seine Gestalt straffte sich, wenn auch nur unter dem scheinbaren Zufluß frischer Kraft. Dann verließ er sein Refugium der Stille, wieder in die Kutte gehüllt und auf den schlichten Gehstock gestützt, und lief erneut durch düstere Gänge und Stollen, unsichtbaren Hindernissen und geheimen Mechanismen ausweichend, die selbst seinen Tod bedeutet hätten.
Nach einer Weile blieben Ruhe und Einsamkeit hinter ihm. Salvat erreichte Regionen des Labyrinths, in denen es nicht unbedingt lebhafter zuging als in den hinter ihm liegenden, wo aber spürbar mehr Leben war. Die Gänge wurden breiter, und es war ersichtlich, daß sie häufiger benutzt wurden als die, aus denen Salvat gerade kam.
Dann drangen durcheinanderschwirrende Geräusche an sein Ohr, mit jedem Schritt, den er ging, lauter werdend. Bald konnte er sie von einander unterscheiden und schließlich identifizieren - klirrende Waffen, dumpfe Hiebe und im Kampf ausgestoßene Schreie!
Salvat trat durch eine Öffnung im Fels, und die Geräusche, die an eine Schlacht gemahnten, schlugen über ihm zusammen, weil sie den riesigen Raum jenseits des Durchgangs bis in den letzten Winkel ausfüllten.
Der Führer des Ordens der Illuminati ging weiter vor, bis eine steinerne Balustrade ihn aufhielt. Sein Blick ging in die Tiefe, hinab in eine felsumrandete Arena - - in der ein Kampf tobte, dessen gewaltige Ausmaße sich kein Außenstehender hätte vorstellen können!
*
Das Leben ist eine Mission.
Giuseppe Mazzini Ein Toter erwachte.
Aber er war noch immer eine Unendlichkeit entfernt von dem, was ihm Leben bedeutet hatte.
Landru zwang seine hornig gewordenen Lider, sich zu öffnen. Er glaubte ein leises Schaben zu vernehmen, mit dem sie über seine ausgedörrten Augäpfel rieben. Schon diese einstmals nicht einmal nennenswerte Bewegung überstieg fast das bißchen Kraft, das noch in seinem ausgezehrten Leib war. Und es rührte an dem Wunsch, doch zu sterben ...
»Nein ...«
Raschelnd wie Pergament tropfte ihm dieses eine Wort von den Lippen, selbst für seine eigenen Ohren kaum verständlich. Aber es barg etwas in sich, das ihm sein Todessehnen austrieb.
Landru wollte nicht sterben.
Und er würde nicht sterben.
Nicht, weil er sich der Alten Rasse verpflichtet fühlte und sie vor dem Untergang bewahren wollte. Nein, das Schicksal seines eigenen Volkes war ihm in diesen Momenten von geringem Interesse. Er wollte leben aus einem anderen, einem ganz persönlichen Grund.
Und um an ihm festzuhalten, bedurfte es aller Kraft, die der Hüter noch aufzubringen vermochte. Er richtete sich auf an diesem einen Gedanken, klammerte sich daran, als wäre er der einzige Anker, der ihn noch im Diesseits hielt.
Der Gedanke glühte auf unfaßbare Art vor Kälte, und er sandte etwas wie ein eisiges und doch brennendes Prickeln durch Landrus Bewußtsein. Er wollte stöhnen vor Schmerz, doch er hütete sich, Kraft so leichtfertig zu vergeuden, kaum daß er sie neu gewonnen hatte.
Er fühlte sich vitalisiert, unendlich langsam, aber stetig. Vielleicht würde er nie wieder zu seiner alten Macht finden, und wenn, würde es lange dauern. Aber was da in ihm neu
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