Der Hoteldetektiv
nicht?«
»Nein.«
»Gut. Also, was ist los?«
Ich erzählte ihm von New York und von München und von mei-
ner Unfähigkeit, mit solchen Dingen fertig zu werden.
»Schlafen müssen Sie.«
»Wie?«
Er gab mir ein Medikament. »Halten Sie sich daran. Drei Tablet-
ten am Tag. Nicht mehr und nicht weniger. Und …«
»Ja?«
»Überdenken Sie Ihre Situation.«
»Das tue ich die ganze Zeit.«
»Machen Sie sich nicht selbst verrückt.«
»Ich versuche es ja.«
»Also gut, kommen Sie am Montag wieder her.«
Das gab mir drei Tage Zeit.
Mama und Jinny begrüßten mich wie einen Spätheimkehrer.
Mama briet Sauerbraten, Jinny formte Kartoffelklöße.
Ich wurde eingehül t in die Wärme und Zärtlichkeit einer Familie.
Ich nahm Heinzes Tabletten. Ich dachte an Sheraman.
Ich aß und lächelte und war glücklich, wieder einmal zu Hause
zu sein.
Mama sagte: »Ihr habt ein neues breites Bett.«
Ich hätte beinahe geheult.
Aber Jinny nahm mich schließlich in ihre Arme, und so schlief
ich endlich, endlich wieder einmal ruhig ein.
108
Ohne Alpträume, ohne das Gefühl, versagt zu haben.
In dieser Nacht schlief ich noch einmal wie ein Kind, das sich be-
hütet fühlt.
Ein ganz simpler Fall
enn Sie, meine lieben Leser, nun glauben, daß die Arbeit eines
WHoteldetektivs stets abenteuerlich und auch gefährlich ist,
dann muß ich Sie leider, oder dem lieben Gott sei Dank, enttäu-
schen.
Zumeist besteht sie daraus, kleine Pannen auszubügeln; da fehlt
einem Gast plötzlich seine Uhr. Er ist ganz sicher, sie vor dem
Schlafengehen auf den Nachttisch gelegt zu haben.
Oberstes Gebot: Zuerst einmal Ruhe bewahren und dem Gast
diese Ruhe wie Baldriantropfen einflößen. Selbstverständlich wird
das Hotel alles tun, um die Sachlage aufzuklären.
Und dann stellt man Nachforschungen an, verhört und fragt aus,
die Angestellten, das Zimmermädchen, das am Vorabend das Bett
gemacht hat, den Zimmerkellner, der ihm noch eine heiße Milch
brachte. Man ruft auch beim Fundbüro an, und wenn man Glück
hat, findet sich das ›alte Erbstück‹ – das ist es meistens inzwischen geworden – dort wieder. Wenn man Pech hat und den Gast im
Hause wiedersehen will, läßt man ihm die freie Wahl einer neuen
Uhr.
Auch um verlorenes Geld geht es manchmal, kleine und größere
Beträge; Sie würden sich wundern, wie viele Leute schnell bei der
Hand sind, einen anderen des Diebstahls zu verdächtigen.
109
Und dann Zechprellerei.
Eine Rechnung ist im Restaurant unterschrieben und mit falscher
Zimmernummer versehen worden. Merkt man es früh genug, ge-
hört immer noch viel Fingerspitzengefühl dazu, den Gast zur Be-
zahlung zu veranlassen, ohne ihn zu verärgern.
Das gilt auch für Telefongespräche ins Ausland, die immer ein
Vermögen kosten und die der Gast unter falscher Zimmernummer
bei der Zentrale anmeldet.
Alles dies ist Kleinarbeit, aber eben manchmal auch Sisyphus-
arbeit und ganz schön deprimierend.
Da gibt es Tage und Nächte, an denen ich wegen solcher Dinge
weder zu einer warmen Mahlzeit noch ins Bett komme.
Und eine Frau, die mit einem Mann wie mir verheiratet ist, muß
viel Geduld und starke Nerven haben.
Meine Jinny hat sie, und oft genug hat sie das in einer Form be-
wiesen, daß ich wirklich sagen muß, es ist einsame Spitze.
Und dabei fing in dem Haus in Spanien alles so harmlos an.
»Er ist ein lieber alter Mann, nicht wahr«, sagte Jinny. »Jetzt
kommt er schon im zehnten Jahr.«
Das zehnte Jahr bezog sich auf die Tatsache, daß Professor Mar-
kus zu den ältesten und treuesten Stammgästen der Sheraman-Kette
gehörte.
Vor zehn Jahren war er, wie wir aus seiner Karteikarte wußten,
pensioniert worden; er hatte an der Bonner Universität Jura gelehrt, war verwitwet und konnte sich offenbar jedes Jahr drei Wochen Ferien in einem unserer Hotels leisten.
Er bezahlte seine Rechnungen stets bar, nie hatte es seinetwegen
irgendwelche Komplikationen in einem unserer Häuser gegeben.
Normalerweise buchte er sein Zimmer auch stets früh genug, wo-
für ihm jeder Empfangschef dankbar war; denn nichts ist schlim-
mer, als einen liebenswerten Gast abweisen zu müssen, weil man
keinen Platz für ihn hat.
110
Anders in diesem Sommer. Professor Markus kam ohne Voran-
meldung, und wir waren im Golden Sea an der Costa Brava, Spaniens ›rauher Küste‹, total ausgebucht; aber Jinny, die Professor
Markus aus Beirut und Paris und von den Bahamas kannte – sie
hatte als
Weitere Kostenlose Bücher