Der Hoteldetektiv
auszutauschen. Er machte mit. Er kriegte
Geld dafür und gab es seiner Mutter.
Als sie ermordet wurde, wußte Kim, daß jemand geglaubt hatte,
er habe Joana ins Vertrauen gezogen.
Kim versuchte, den Täter ausfindig zu machen; das war zu der
Zeit, als ich ihn beobachtete und er immer wieder in dasselbe ita-
lienische Restaurant ging.
Wie die Geldscheine in goldene Rose verwandelt wurden, konnte
Kim beim besten Willen nicht sagen. Er hatte immer nur die grau-
en Metallkästen vertauscht.
Kim fand einen verständnisvollen Richter. Er bekam drei Jahre
auf Bewährung und wurde auf ein Col ege im Westen geschickt, wo
Jinny und ich ihn einmal besuchten. Es ging ihm gut. Er träumte
davon, eines Tages nach Alaska zu gehen. »Da ist alles so sauber
und kalt«, sagte er.
Sein Vater nahm still Abschied vom Golden Globe. Kein großes Bankett wurde zu seinen Ehren gegeben. Weder Lydia noch er wol -
ten es.
Wir haben George nie wiedergesehen.
Lydia schreibt uns regelmäßig zu Weihnachten.
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Wieder einmal zu Hause
ch wil ganz offen sein und bekennen, daß mir die Geschichte im
I Golden Globe noch lange keine Ruhe ließ. Schließlich waren nur die kleinen Fische gefaßt worden, die Haie jedoch nicht.
George würde nun irgendwo in New Jersey leben, viel eicht Rosen
züchten, vielleicht aber auch ganz einfach die Tage vor sich hin-
dämmern.
Kims Entschluß, nach Alaska zu gehen, war natürlich auch nur
eine Flucht, vielleicht sogar geboren aus der Furcht, daß die Haie ihn sonst nicht in Ruhe lassen würden.
Jinny tröstete mich so gut sie konnte; ich glaube, ich hatte zum
ersten Mal in meinem Leben eine Depression, obwohl ich mich na-
türlich dagegen wehrte und mir sagte, daß ich schließlich bloß ein simpler Hoteldetektiv sei.
Was habe ich mit Mafia oder ähnlichen Organisationen zu schaf-
fen?
So faszinierend ich New York fand, so sehr ich mich danach
sehnte, mit Jinny einmal ganz Amerika zu durchqueren, es machte
mir auch Angst.
Alles war dort so übergroß, so gewaltig. Für mich einfach eine
ganze Reihe von Schuhnummern zu groß.
Sheraman bat mich nach München, wo er ein neues Haus eröffnet
hatte.
Er wirkte älter, müder, und ich fragte mich, warum bürdet er sich
das alles noch auf? Ich hatte inzwischen erkannt, daß er – und im
Grunde nur er allein – die Seele oder das Gehirn des Sheraman-Im-
periums war.
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Wir trafen uns nicht im neuen Haus in München, sondern in der
Bar des Conti. Wir tranken beide einen Tomatensaft. Er schaute mich lange an, oder zumindest hatte ich den Eindruck, denn durch
die dunkle Brille konnte ich seine Augen ja nicht erkennen.
»Ja, Jörg«, sagte er, »Sie denken ganz richtig, wir sind alle Ge-
triebene. Wenn wir einmal anfangen, Erfolg zu haben, können wir
darauf nicht mehr verzichten. So ist es mir ergangen, und so ergeht es mir noch. Ich komme Ihnen jetzt nicht mit einer rührseligen Geschichte über den Sohn eines armen Einwanderes, der es vom Tel-
lerwäscher bis zum Hotelkönig brachte. Nein«, er lachte leise, wie es seine Art war, »mein Vater war Richter, meine Mutter kam aus
einer angesehenen Familie. Ich war der einzige Sohn. Im Grunde
hätte ich gar nichts anderes zu tun brauchen, als brav den Spuren
meines Vaters zu folgen. Aber das war mir zu langweilig. Damit
meine ich nicht, daß er ein langweiliger Mann war, aber ich wollte etwas Eigenes aufbauen.«
»Und das haben Sie getan.«
»Ja«, sagte er, »das habe ich getan. Aber was werden Sie jetzt tun wollen, Jörg?«
»Die Geschichte vom Golden Globe steckt mir noch in den Knochen. Ich bin von mir selbst enttäuscht.«
»Das brauchen Sie nicht zu sein. Es gibt Dinge im Leben, die
sich niemals, ich wiederhole, niemals, lösen lassen.«
»Damit haben Sie sich aber nicht zufriedengegeben.«
»Und Sie tun es auch nicht.«
»Eben.«
»Jörg, Sie haben noch viele Chancen. Sie haben zuerst einmal
eine sehr liebenswerte Frau, von ihrer Schönheit gar nicht zu reden.
Dann haben Sie mein Vertrauen und das der ganzen Sheraman-
Kette.«
»Aber ich will gar nicht höher hinaus. Ich möchte eher – ja, ich
möchte eher ein bescheidenes Leben führen.«
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»Wollen Sie uns verlassen?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
»Dann bleiben Sie noch eine Weile bei uns. Wollen wir es so hal-
ten? Und wenn Sie genug vom großen Geld haben, sagen Sie mir
einfach Bescheid.«
Ich nickte stumm.
Aber in der darauffolgenden Nacht, ich las noch in einem Chand-
ler, rief er
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