Der Hoteldetektiv
zur Strandbar El Paso.
Sie bestel ten Kaffee, Jinny entschuldigte sich einen Moment und
schlitzte kurz entschlossen im Waschraum den Brief auf.
»Vater! Warum läßt du mich warten? Ich hab' nicht mehr viel
Zeit! Sie bringen mich um, wenn ich nicht zahle!«
Das war der Inhalt. Nicht mehr und nicht weniger.
Jinny ging zu Markus zurück. Sie sah noch, wie er einen mit Zah-
len bedeckten Zettel rasch mit zittriger Hand in seiner Rocktasche verschwinden ließ.
Jinny ergriff diese dünne, alte Hand mit ihren beiden Händen
und sah in fest an.
»Lieber Herr Markus. Ich habe soeben etwas Unverzeihliches ge-
tan. Aber ich tat es, weil wir Ihnen helfen möchten.«
Er schaute Jinny an und brachte kein Wort hervor.
»Ihre Tochter macht Ihnen große Sorgen, und Sie sollten sich
von uns helfen lassen.«
»Sie wissen es?« flüsterte er.
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»Ich habe einen Brief für Sie auf dem Postamt abgeholt. Ich habe
ihn eben gelesen. Ich habe sie gestern abend beim Kartenspiel beo-
bachtet. Bitte, lassen Sie uns Ihnen helfen.«
Er senkte den Kopf.
»In welcher Gefahr ist Ihre Tochter?«
»Sie hat – sie hat an einem Raubzug teilgenommen.«
»Einem Einbruch?«
»Ja.«
»Wo?«
»In einem Supermarkt. Sie brachte den Teil ihres Geldes mit nach
Hause. Ich las in der Zeitung über den Raub. Ich wußte seit lan-
gem, daß Elisabeth in schlechte Gesellschaft geraten war. Die Be-
schreibung der Diebe paßte unter anderem auf sie. Und dann war
sie an dem Samstag, mittags, als es passierte, auch nicht zu Hause gewesen. Ich durchsuchte ihr Zimmer. Ich fand das Geld. Ich ver-nichtete es. Ich dachte – wenn das Geld weg ist, kann niemand
mehr beweisen, daß Elisabeth an dem Einbruch teilgenommen hat.
Ich habe ernsthaft mit ihr geredet. Sie war mir sogar dankbar und
versprach mir, nie mehr etwas Böses zu tun. Sie ging in eine andere Stadt. Nach Berlin. Nahm dort eine Stel e an. Sie ist eine gute Drogistin, müssen Sie wissen. Und so ein hübsches Mädchen. Das war
vor zwei Monaten. Alles schien gut. Der Raub wurde nicht aufge-
klärt. Elisabeth hatte auch keinen Kontakt mehr zu den Verbre-
chern. Ich wollte meine Ferien mit ihr verbringen, aber sie sagte
nur, nein Papa, fahr nur, wie du es vorher geplant hast, nach Spa-
nien. Ich bleibe in Berlin. Ich bin sehr glücklich dort.
Und kaum war ich hier eingetroffen, da kam ihr erster Brief. Die
Verbrecher haben sie geschnappt und halten sie fest. Und ich muß
zahlen. Ich habe direkt alles Geld, das ich bei mir hatte, telegrafisch überwiesen. Und auch mein Sparkonto aufgelöst. Aber das alles ist
ihnen nicht genug. Sie glauben, ich hätte die Beute noch. Und des-
wegen habe ich versucht, im Kartenspiel Geld zu gewinnen. Ich
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habe auch zuerst gewonnen, aber jetzt…«
»Sie wissen natürlich nicht, wo die Verbrecher Ihre Tochter fest-
halten?«
»Nein!«
»Der erste Brief war schon in Berlin gestempelt?«
»Ja, ja. In Berlin. Da hat sie ja auch gearbeitet. Aber mehr weiß
ich nicht.«
»Und wohin haben Sie das Geld gesandt?«
»Nach Berlin-West II, postlagernd.«
»Gut«, sagte Jinny. »Dann müssen wir folgendes tun: Sie senden
wieder Geld, und ich frage meinen Mann, wen er von der Polizei in
Berlin kennt. Die müssen dann jemanden zur Post schicken, der die
Verbrecher schnappt, wenn sie das Geld abholen.«
»Aber dann – dann kommt Elisabeth ins Gefängnis.«
»Wie alt ist Ihre Tochter?« fragte Jinny.
»Neunzehn. Sie ist mein einziges Kind. Ich habe sehr spät gehei-
ratet.«
»Wenn es Elisabeths erste Straftat ist, kriegt sie bestimmt Bewäh-
rung.«
»Aber ich habe ihr versprochen, daß sie nicht vor Gericht gestellt wird. Und es kommt doch dann auch in die Zeitung. Dann ist doch
ihr ganzes Leben zerstört.«
»Nein, das dürfen Sie nicht denken. Elisabeth hat etwas Unrech-
tes getan, und dafür muß sie sich verantworten. Wie sollte es sonst weitergehen? Sie können sich doch nicht immer weiter erpressen
lassen.«
Jinny nahm Professor Markus mit in unser kleines Haus. Sie holte
sein Gepäck aus dem Golden Sea und richtete ihm unser Gästezim-mer gemütlich her.
Dann kam sie zu mir ins Krankenhaus, und ich schrieb ihr auf,
mit wem von der Kripo in Berlin sie sich über Telex in Verbindung
setzen sollte; Heinz Kärtner und ich hatten zusammen die Polizei-
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schule besucht.
Kärtner trug Zivil. Das bedeutet bei ihm eine alte, abgeschabte Le-derjacke, an der immer ein paar Knöpfe fehlen, und verblichene,
ausgefranste
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