Der Hoteldetektiv
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im Hotel wohnten. Wir hatten einen kleinen, aber sehr gemütli-
chen Bungalow ganz in der Nähe gemietet. Der hatte zwar keinen
Garten, aber dafür einen Innenhof – was an unseren freien Tagen
für Jinny und mich noch viel schöner war. Denn da waren wir nun
wirklich ungestört.
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Jinny lud also unseren alten Freund und Stammgast Professor Mar-
kus zu uns nach Hause ein.
Er kam und brachte ihr Blumen mit und einen schönen Bildband
über die Höhlenzeichnungen von Altamira.
Aber was ihn bedrückte, darüber sprach er nicht.
Jinny brachte ihn im Wagen ins Hotel zurück, und da sie dort
die Sportzeitung vergessen hatte, die sie mir am anderen Morgen
vor ihrem Dienstbeginn noch schnell ins Krankenhaus bringen
wollte, ging sie noch einmal in ihr Büro.
Zuvor hatte sich Professor Markus von ihr herzlich verabschiedet
und gesagt: »Es war ein langer und schöner Abend, ich werde jetzt
sogleich schlafen gehen.«
Er hatte sich auch seinen Schlüssel geben lassen, und Jinny wähn-
te ihn längst in seinem Zimmer, als sie – auf der Rückfahrt zu unserem Haus – seine zierliche, ein wenig gebeugte Gestalt auf der
Strandpromenade erkannte.
Er ging schnel und steuerte direkt auf das Spielkasino zu. Das ist nun keineswegs mit Monte Carlo zu vergleichen, nicht einmal mit
Neuenahr; es läuft auch wegen der strengen polizeilichen Vorschriften unter der Bezeichnung Freizeitzentrum.
Jinny parkte kurzentschlossen den Wagen und mischte sich unter
die Jungen und Mädchen, die die Spielautomaten umlagerten. So
beobachtete sie, wie Professor Markus auf den Hinterausgang zu-
steuerte, durch den Eingeweihte in die Spielzimmer gelangten. Dort wurde, wie jeder wußte, um große Summen gepokert.
Jinny machte einem jungen Burschen schöne Augen, der davon
ganz überwältigt war. Sie horchte diesen Pedro aus und überredete
ihn, mit ihr eines der Hinterzimmer aufzusuchen.
Und da sah sie nun unseren lieben alten Herrn Markus aschgrau
im Gesicht und mit zitternden Fingern die Karten halten.
Er verlor. Er verlor unentwegt, und er spielte ebenso unentwegt
weiter und weiter.
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Jinny konnte es kaum mit ansehen, aber sie hatte nicht den Mut,
ihn zu unterbrechen, schließlich mußte er eigentlich doch wissen,
was er tat.
»Der alte Herr kommt jeden Abend«, sagte Pedro, »und wenn Sie
mich fragen, hat er bisher schon ein Vermögen verspielt.«
Woher aber hat ein pensionierter Professor ein Vermögen? Jinny
war sehr beunruhigt.
Sie dachte dabei weniger an die unbezahlten Hotelrechnungen als
an die Gefahr, daß Professor Markus sich um die Ruhe und Sicher-
heit seines Alters brachte.
Aber wie konnte sie ihm helfen?
Jinny verbrachte eine schlaflose Nacht.
In all den Jahren, die sie Markus kannte, war er nie in irgendeiner Hinsicht maßlos gewesen. Er hatte nie zuviel getrunken. Er hatte,
soweit sie wußte, nie über seine Verhältnisse gelebt.
Und jetzt diese Spielleidenschaft.
»Er sah dabei ganz und gar nicht so aus, als mache es ihm auch
nur im geringsten Freude«, berichtete sie mir.
»Manch einer hofft, beim Pokern Geld zu gewinnen.«
»Aber er hat nur verloren.«
»Vielleicht wird er erpreßt und –«
»Er kriegt nie Post«, sagte Jinny.
»Bist du sicher? Vielleicht kriegt er welche postlagernd?«
»Das könnte natürlich sein.«
Wir hatten dies häufiger bei unseren Gästen erlebt; ich meine, wir wußten davon, ohne darüber jemals ein Sterbenswort zu verlieren.
Aber zumeist hatten diese Postlagernd-Geschichten etwas mit Lie-
be oder Eifersucht zu tun.
Jinny ging zum Postamt.
Sie gewann das Vertrauen des Schalterbeamten mit der Leichtig-
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keit, mit der sie jeden Mann um den Finger wickelt, wenn sie es
will.
Ach, der arme alte Herr aus Deutschland, war er so krank? Und
das im Urlaub! Ja, es war Post für ihn da aus Berlin. Hoffentlich
würde er sich darüber freuen? Er war doch so ein liebenswerter alter Herr.
Jinny bekam ein schmales Couvert ausgehändigt, das von einer
weiblichen Hand beschriftet war.
Sie mußte ein paar Schrecksekunden ausstehen, als sie direkt vor
dem Postamt unserem lieben alten Herrn begegnete, der im Mor-
gensonnenlicht tatsächlich wie ein Schwerkranker aussah.
»Ich wollte gerade einen Kaffee trinken«, redete Jinny tapfer drauf-los. »Ach, bitte, seien Sie doch so lieb, mich zu begleiten. Wissen Sie, ich gehe so ungern allein in ein Lokal.«
Professor Markus war ein Kavalier alter Schule und begleitete Jin-
ny selbstverständlich
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