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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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geschehen würde. »Wehe dir, wenn du nur einen Quadratmeter des Rossarco verkaufst. Du musst ihn hüten wie einen Schatz.« Und sie, obwohl sie sich häufig in wirtschaftlicher Not befand, hatte sich selbst gegen die verlockendsten Angebote entrüstet gewehrt, die von Don Lico oder anderen Käufern aus Cirò eingingen.
    Dieser Herr jedoch erschien ihr aufrichtig und ehrbar, er wollte nicht ihre Ländereien an sich reißen, er wollte ein paar Streifen umgraben und für die Unannehmlichkeiten zahlen. Es hatte keinen Sinn, sich zu widersetzen.
    »Wann fangt Ihr an?«, fragte sie ihn.
    »Morgen bei Sonnenaufgang mit den Ortsbegehungen. Mit den Grabungen in den nächsten Tagen«, erwiderte der Mann ernst. Dann tippte er sich zum Gruß an den Hut und bemerkte nun erst den Jungen, lächelte ihm zu, kniff ihn freundlich in die Wange und entfernte sich in Richtung Saumpfad, behände zwischen den Schollen hindurchspringend wie ein Hase.
    »Wir gehen auch, es wird bald dunkel. Ninabella und die Großeltern warten mit dem Abendessen«, sagte die Mutter und versteckte die Hacke in einem Mastixstrauch.

9
    Bevor sie auf dem Rücken des Maultiers zu Hause ankamen, hatte die Mutter ihm gesagt: »Michè, stumm wie ein Fisch musst du sein. Kein Wort zu niemandem. Hast du das verstanden?«
    »Auch nicht zu meinem Freund Alduzzo? Auch nicht zu Ninabella?«
    »Zu absolut niemandem. Sonst erfährt es das ganze Dorf, das mit der Graberei. Die Leute sind böse und scheelsüchtig. Vor allem wenn sie glauben, dass wir daran verdienen. Da schütze und rette uns Gott vor! Verstanden? Zu niemandem.«
    »Auch nicht zu den Großeltern?«
    »Mit den Großeltern rede ich.«
    Der Junge ließ nicht locker: »Aber sie werden doch alle sehen, dass da gegraben wird.«
    »Schon, aber wenn sie es sofort erfahren, wimmelt es schon morgen auf dem Rossarco nur so von Hinkefüßen. Du kennst doch das Sprichwort? Wenn Neid ein Beinbruch wäre, sähe man nichts als Hinkefüße! Sie würden uns nicht in Ruhe lassen, würden behaupten, wir hätten wer weiß welche Schätze gefunden und wollten uns bereichern. Das sagen sie ja jetzt schon, was soll dann erst werden.«
    Die Vorstellung eines Hügels voll humpelnder Dorfbewohner brachte Michelangelo zum Lachen. Und sie überzeugte ihn, dass die Mutter recht hatte.
    »Ich werde kein Sterbenswörtchen sagen. Versprochen!«,sagte er mit einem Kuss auf Zeige- und Mittelfinger. Dann atmete er tief ein, gegen den Wind. Der Duft des Rossarco verfolgte ihn. Er konnte es kaum erwarten, zurückzukommen und zusammen mit Professor Orsi zu graben.
    Großmutter Sofia hatte zum Abendessen Pasta mit Kichererbsen bereitet. Michelangelo verschlang zwei Teller davon, während sie ihn immer weiter anspornte: »Iss nur, Michè, du hast härter geschuftet als ein Großer.«
    Die Mutter lächelte: »Er ist von einem Baum zum anderen gesprungen wie ein Äffchen, von wegen geschuftet wie ein Großer.«
    »Er ist ja noch so klein, erst neun Jahre alt.« Nonna Sofia vergötterte ihn und stellte sich stets hinter ihn, egal, worum es ging.
    »Fast zehn, bitte. In dem Alter hackte sein Vater von morgens bis abends auf dem Rossarco und brachte seinen Tagelohn nach Hause.«
    »Das heißt doch nichts! Das waren Hungerzeiten, heute gehen die Bengel zur Schule. Wenn unser Arturo hier wäre, würde er den Sohn nicht mehr aufs Feld schicken.«
    Ninabella klammerte sich während des ganzen Abendessens an die Mutter. Sie war todmüde, tagsüber war sie in den Gassen unterwegs, immer am Spielen und Rennen wie ein Teufelchen. Kaum hörte sie den Namen des Vaters nennen, fragte sie mit ihrem Vogelstimmchen, den Tränen nahe: »Wann kommt Papa zurück?«
    »Bald, mein Engel, bald kommt Papa zurück. Schlaf jetzt, die Mama bringt dich ins Bett.« Das Mädchen begann sich die Augen zu reiben und gehorchte ohne Widerworte.
    Michelangelo wusste, dass auch dies eine notwendige Lügeder Mutter war, denn Ninabella wollte genau dieses eine Wort hören, »bald«, sonst fing sie an zu weinen. Auch ihm fehlte der Vater, aber er machte sich nichts vor: Der Ort der Verbannung war weit weg, weiter noch als Neapel, eine Art Festung ohne Gitter, hatte ihm die Mutter erklärt, eine kleine Insel namens Ventotene, wo Arturo frei herumlaufen und auch arbeiten konnte, wenn er wollte, solange er sich nur nicht in den Kopf setzte, vorzeitig ins Dorf zurückzukehren. Fünf Jahre musste er dort bleiben, es waren gerade mal dreiundzwanzig Monate vergangen, zwei Sommer, zwei

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