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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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nicht damit abfinden wollte, war Michelangelo: »Warum wurden sie ausgerechnet auf unserem Hügel ermordet oder ihre Leichen dorthin gebracht?« Im Grunde waren ihm die zwei toten Verbrecher herzlich egal, ihn störte nur die Dreistigkeit der Mörder, und er konnte Professor Orsis Sarkasmus nicht vergessen: »Dieser Hügel ist die Grabstätte blutiger Geheimnisse.« All diesen Schmutz hatte ihr Land nicht verdient.
    Die Mutter war es, die ihn nach Monaten besessenen Bohrens zur Vernunft brachte. »Was musst du immerzu herumreden und jedermann nach dem Warum fragen? Kommst du denn nicht alleine darauf? Weil unser Hügel einsam gelegen ist, darum, und weil er der einzige ist, der nicht Don Lico gehört, der sich ganz sicher gerächt hätte, wenn man sie auf seinem Land vergraben hätte. Verstehst du? Stumm wie einFisch musst du sein, dann lebst du hundert Jahre bei bester Gesundheit.«
    »Und warum haben sie sie nicht ins Meer geworfen? Das Meer gehört allen.«
    »Was denn jetzt noch? Du bist lästiger als eine Schmeißfliege, Michè, ein wahrer Quälgeist. Das Meer spuckt alles wieder aus, außerdem ist es voll mit Schleppnetzen zum Fischfang. Darum. Wenn nicht der Professor mit seinen Spaten gekommen wäre, hätte man die da auf ihrem Gipfel niemals gefunden, weder jetzt noch später.«
    »Ja, aber ...«
    »Schluss jetzt! Wenn du noch einen Ton sagst, dreh ich dir eigenhändig den Hals um.«
    Sie waren im Weinberg. Michelangelo legte sich schützend die Hände um den Hals und rannte lachend zur Casella hinüber. Lina stutzte gewandt die Reben. In jenen Tagen half ihr der Sohn fast jeden Nachmittag, die Hausaufgaben machte er abends bei Kerzenschein.
    Er kam mit dem Wasserfässchen zurück und reichte es der Mutter. »Trink was, du hast ganz trockene Lippen«, meinte er fürsorglich. Sie lächelte spitzbübisch: »Jetzt spielst du den braven Jungen, damit ich dir nicht an die Gurgel gehe, stimmt’s?«
    In diesem Augenblick hörte Michelangelo ein undeutliches Rascheln hinter sich. Er drehte sich um und sah einen Schatten, der im Nu vom Unterholz verschluckt wurde. Die Wipfel der Steineichen zitterten noch einen Moment.
    »Hast du das gehört, Mà? Ich glaube, da ist ein Mann in den Wald geflohen. Der hat uns vielleicht belauscht.«
    »Nein, mein Schatz, glaub mir, weder ein Spion noch ein Tier, das war nur der Wind.«

Wind
    Der Wind auf dem Hügel hält niemals inne, er erhebt sich aus den Felsstürzen, der Fiumara oder dem Meer, streicht durch die Wipfel der Bäume, umspielt den Gipfel bei Tag und bei Nacht, tollt über die Hänge wie ein glückseliges Kind, doch wehe, wenn er zornig wird: Wirbelnd saugt er alles auf, Staub, zerbrochene Zweige, Blätter, Nadeln und Geröll, die er um sich schleudert wie ein wild gewordener Vulkan.
    »Wenn es hier etwas gibt, woran es nicht fehlt, dann ist das der Wind«, sagte der Mann, der sich uns als Ingenieur einer auf Windräder spezialisierten norditalienischen Unternehmensgesellschaft vorgestellt hatte. »Das ist euer unsichtbares Gold, euer Reichtum, wenn ihr ihn richtig nutzt. Sie haben Glück, Signor Arcuri, Ihr Hügel wurde von unseren Experten in die Planungen für einen Windpark mit dreißig Windkraftanlagen aufgenommen, der in dieser Gegend entstehen soll.«
    Mein Vater hörte dem Ingenieur mit angewiderter Miene zu, beinah als müsse er ihm jeden Moment auf die lange Mähne brechen, die ihm das »unsichtbare Gold« rechts und links um die Ohren fegte. Was redest du da für einen Stuss, halt den Mund und hau ab, hätte er am liebsten gerufen. Für meinen Vater war der Wind auf dem Hügel ein rebellischer und allgegenwärtiger Freund, er schätzte seine Großzügigkeit und wusste sein Temperament zu nehmen: Um dem stärksten Wind zu trotzen, musst du ihm nachgeben.
    »Die Arbeiten beginnen noch in diesem Sommer. Die notwendigen Genehmigungen liegen uns bereits vor. Die anderen betroffenen Privatleute und Kommunen haben nur zu gerne eingewilligt. Lediglich Ihre Unterschrift fehlt noch.« Der Ingenieur sprach mit einem sympathischen romagnolischen Akzent. Er war in Begleitung zweier junger Männer auf den Rossarco gekommen, dem Landvermesser von Spillace, den wir gut kannten, und einem Unbekannten von außerhalb, der den Jeep lenkte, dem sie kurz zuvor entstiegen waren. Alle drei sahen meinen Vater erwartungsvoll an, doch der hüllte sich in Schweigen.
    »Vom Landwirt werdet Ihr zum Windwirt, einem Erzeuger von sauberer Energie, Maestro Arcuri, und außerdem verdient

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