Der Hügel des Windes
stachen sie mit einer Holzahle in handbreiten Abständen Löcher in den Boden und begannen, zarte Pflänzchen von Paprika, Peperoni, Tomaten und Auberginen zu setzen.
Sie waren noch nicht fertig, als plötzlich eindringlicher als sonst die bekannten Rufe durch die Luft schallten: »Professore! Professore! Professò ...«
Michelangelo rannte zu der Fundstelle. Paolo Orsi wusste gar nicht, wo er anfangen sollte, sprang von einer Grube zur nächsten, seine Stiefel versanken im Matsch. Doch er hatte sofort begriffen: »Endlich!«, rief er aus. »Ich glaube, wir haben hochinteressante Gräber entdeckt, vielleicht die Nekropolis von Krimisa.« Er war äußerst zufrieden, wenngleich er seine Euphorie im Schutz von Hut und Brille zu verbergen suchte.
Nach einigem hektischen Hin und Her waren es seine Mitarbeiter, die jede Hoffnung mit lauter Stimme zunichtemachten:»Aber die Grabstelle ist leer!« »Auch diese wurde komplett ausgeräumt!«
Paolo Orsi krallte die erdverschmierten Hände in seinen Spitzbart, als wolle er ihn sich vor Zorn ausreißen, und begann wutentbrannt herumzuschreien: »Jemand hat uns ausgestochen! Hier wurde schon gegraben, die Gräber und dieser heilige Ort sind geschändet. Ignoranten, Gierhälse, Bauerntrampel! Das ist nicht das erste Mal, dass mir das in Kalabrien und auf Sizilien passiert. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, und diese Schurken sind im Vorteil, weil sie keinerlei Skrupel kennen, sich an keinerlei Gesetz halten, sie sind nichts als Verbrecher!« Dann fiel er über Lina her, die ängstlich herbeigelaufen war, um den Sohn zurückzuholen. »Signora, sagen Sie mir die Wahrheit: Sie wussten, dass hier schon jemand war und alles blindwütig geplündert hat, ohne jeden Respekt vor den Lebenden und den Toten!«
Die Frau ließ sich nicht einschüchtern. Auch sie war es gewohnt zu schreien, um sich Gehör zu verschaffen: »Professò, ich schwöre auf den Kopf meines Sohnes, dass ich von nichts wusste. Vielleicht ist es nachts oder vor langer Zeit passiert, als der Rossarco noch jedem und keinem gehörte. Mein Mann und mein Schwiegervater, die immer hier waren, haben nie etwas von diesen Ausgrabungen erzählt. Wir haben beim Umspaten manchmal ein paar Terrakottascherben gefunden und einmal, vor vielen Jahren, einen kleinen Frauenkopf. Sonst nichts.«
»Und wo habt ihr jetzt diesen ›Frauenkopf‹? Können wir den vielleicht mal sehen?«, fragte der Professor mit zorniger Polterstimme.
»Sie war ganz hübsch, aber was sollten wir sie auf den Kaminsims stellen? Mein Schwiegervater hat sie an die zweiAusländer verkauft, die von Haus zu Haus gehen und nach Antikplunder fragen.«
»Das sind diese zwei deutschen Spitzbuben Marz und Jacobs. Sie nehmen den Dörflern für ein paar Groschen alles ab, was die auf den Äckern finden, dann verkaufen sie es für teures Geld an betuchte Touristen in ihrem Geschäft in Taormina.«
Sein Zeichner war es, der ihn schließlich beruhigen konnte: »Professore, an diesem Berghang gibt es rund ein Dutzend Gräber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle geplündert sein sollen.«
»Ja, das stimmt. Die Kampagne läuft noch vier Tage, wie geplant. Du hast recht, Rosario, das eine oder andere Grab werden sie sicherlich übriggelassen haben.«
Zwei Tage später, am Nachmittag, fanden sie die Skelette, vom dichten Wurzelgestrüpp fest mit Erdreich und Steinen verwoben. Sie lagen übereinander, ein dichtes Knochengewirr, das nicht leicht zu entheddern war, ohne es zu zerbrechen. Rosario Carta frohlockte: »Seht Ihr nun, Professore, dass ich recht hatte?«
Paolo Orsi erkannte mit einem Blick die Hüte, die in Fetzen über den Schädeln mit ihren aufgerissenen Mündern hingen, sah die Zähne und die auf Höhe des Bauchnabels zerschmetterten Knochen. »Diese zwei Männer, junge Männer wahrscheinlich«, sagte er, »entstammen nicht der Zeit des antiken Krimisa, sondern unserer heutigen Zeit. Sie wurden sicher mit Schusswaffen umgebracht und in ein leeres Grab geworfen, das sich im Laufe der Zeit mit Steinen und Erde füllte. Jemand soll losgehen und die Carabinieri benachrichtigen.«
Lina war kreidebleich geworden, und ihr Sohn klammerte sich zitternd an ihren Rock. Der Professor fuhr fort: »In diesem Areal können wir nicht weitergraben, zumindest solange die Ermittlungen andauern. Wir kehren nächstes Jahr zurück, wenn ich, wie ich hoffe, Finanzmittel für eine weitere Ausgrabungskampagne bekomme.« Mit einem letzten mitleidigen Blick auf die beiden
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