Der Hügel des Windes
sich in Themen, die ihn interessierten, vor allem aus Geschichte und Naturwissenschaften, und war einer der wenigen, wenn nicht der einzige Junge, der seine Hausaufgaben machte.
Am Ende der Grundschule hatte Maestro Tavella ihn überzeugt, ein berufsvorbereitendes Jahr dranzuhängen, obwohl das nicht das Ziel war, das er für seinen besten Schüler ins Auge gefasst hatte. So wollte er ihn an der Schule halten und mit seiner Unterstützung angemessen auf die Eingangsprüfung am Lehramtsinstitut vorbereiten. Als er glaubte, er könne den Sprung schaffen, sprach er im Hause der Familie Arcuri vor.
»Michelangelo ist aufgeweckt und klug«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Außerdem hat er einen starken Willen, ist interessiert und wissbegierig, es wäre eine Todsünde, ihn nicht auf die Oberschule zu schicken. Heutzutage macht jeder Lump und Faulpelz sein Abitur, verzogene, pappreiche Vatersöhnchen, er würde das mit links schaffen.«
Der Mutter schmeichelte diese Einschätzung, sie lächelte und räusperte sich immer wieder, weil sie nicht den Mut fand zu reden. Statt ihrer antwortete Nonna Sofia: »Signor Maestro, Ihr seid der tüchtigste und gescheiteste Mensch, den wir in unserem Dorf von Schwachköpfen und Giftschlangen haben. Ihr seid nicht scheelsüchtig. Aber zum Studieren braucht man die nötigen Groschen, und bei uns reicht es gerade so zum Überleben.«
»Ich verstehe, Donna Sofia, aber für diesen Jungen müssen wir Opfer bringen, und wenn nötig, unterstütze ich Euch. Ihr wisst, dass ich keine Kinder habe, ich besorge ihm die notwendigen Bücher, werde ihm Privatstunden geben für die Eingangsprüfung, kurz, ich werde mich um Michelangelo kümmern wie ein Vater, da Signor Arturo sich ja immer noch zu Unrecht im Exil befindet.«
Die Mutter erfasste eine Welle des Stolzes: »Seit der Geburtunseres Sohnes hat mein Mann immer geschworen, ihn mal studieren zu lassen ...«
Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Lehrers: »Also, wenn selbst Euer Mann diese Absicht hatte, heißt das, ja?«
Michelangelo saß vor dem Feuer neben Ninabella. Seine Wangen glühten von der Hitze und den Worten, die er hörte. Ihm war niemals ernsthaft in den Sinn gekommen, nach der Schule weiterzulernen, in Spillace gab es nicht mehr als drei oder vier studierte Leute, aber wenn der Herr Lehrer unbedingt wollte und die Eltern zustimmten, würde er sich nicht dagegen sperren.
»Ein paar Ersparnisse haben wir beiseitegelegt, ich weiß nicht, ob das für die höhere Schule reicht ...«, wandte die Mutter zögernd ein.
»Ja, das Geld treiben wir schon auf, mein Wort darauf«, mischte sich zur Überraschung aller Anwesenden der alte Alberto ein. »Der Junge soll weitermachen, er hat es verdient und das Zeug dazu ... Aber nur, wenn Ihr, Signor Maestro, Euch um den Papierkram kümmert und darum, wo er hinsoll: Von diesen Dingen verstehen wir hier im Haus nichts.«
»Das ist doch das mindeste, was ich tun kann, Signor Arcuri. Ich verspreche es Euch. Und ihr werdet sehen, wenn Michelangelo als Lehrer nach Hause zurückkehrt, wie glücklich und zufrieden ihr alle sein werdet.«
»Ich will auch studieren«, mischte sich plötzlich Ninabella ein und reichte dem Lehrer ein Heft mit schwarzem Einband. »Ich will Malerfrau werden ...«
»Das heißt Malerin, Dummerchen«, korrigierte Michelangelo sie mit gutmütigem Lächeln, um den Stolz in seiner Brust zu verbergen.
Der Herr Lehrer blätterte das Heft mit unverhohlenemStaunen durch. Auf jeder Seite war eine Bleistiftzeichnung von Katzen und Hunden auf der Gasse, von Blumenvasen, einem Himmel mit fliegenden Aalen, halb geöffneten Kastanienschalen, Äpfeln, Birnen, Trauben, Nüssen und den jugendlichen Gesichtern des Vaters und der Onkel, die sie vom Küchenbild abgemalt hatte.
»Ich kann besser zeichnen als Michelangelo, der kriegt es ja nicht mal hin, mit einem Glas einen runden Abdruck zu machen«, sagte Ninabella, und ihre Augen sprühten vor Stolz.
»Du hast recht, er trägt den Namen eines großen Künstlers, doch er hat nicht dein Talent«, erwiderte der Lehrer. »Du bekommst von mir für jedes Bild eine Eins plus. Du bist schon jetzt eine tolle Malerin. Und wenn du erst im richtigen Alter bist, werden deine Eltern dich bestimmt studieren lassen. So viel Talent in dieser Familie!«
»Ja, wir haben alles, und wir haben nichts«, bekräftigte der Alte rätselhaft.
»Doch nun müssen wir uns auf Michelangelo konzentrieren, der vom kommenden Schuljahr an sein Leben und
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