Der Hügel des Windes
dumpfe Schlag gegen einen Stein der Schelte und Übellaunigkeit des Großvaters ein Ende. »Daswär’s. Du hast an der richtigen Stelle gegraben. Jetzt heb den Fiumara-Stein heraus und hol den Sack rauf.«
Es war eine runde, schwere Steinplatte, die aussah wie ein dicker, verschimmelter Brotlaib. Michelangelo lehnte ihn an den Erdhügel neben dem Loch, dann sagte er: »Hier unten ist nichts.«
Der Großvater wurde bleich, als würde er in Ohnmacht fallen. »Das kann nicht sein, schau genau hin!« Seine Stimme klang zornig, enttäuscht.
Der Junge grub jetzt mit den Händen, und unter zwei Fingern Erde spürte er ein grobes Stoffbündel, ohne zu begreifen, dass es voll mit Münzen war. Erst als er es heraufzog, hörte er ein metallisches Klirren und sah, wie der Nonno endlich vor Freude lächelte.
Anfangs waren es neunundvierzig Münzen gewesen, erzählte der Großvater, während sie auf dem Maulesel zurückritten. Gefunden hatte er sie, als er am Abhang zum Meer tiefer gegraben hatte. Er wollte ein Nektarinenbäumchen pflanzen, von der dicken, saftigen Sorte, das ihm ein befreundeter Minenarbeiter aus San Nicola geschenkt hatte, ein braver Mann, der wenige Monate später, Gott schütze uns, an einer hinterfotzigen Lungenkrankheit gestorben war.
Wie viele Jahre sind seit dieser Entdeckung vergangen? Dreißig, fünfunddreißig? Und doch erinnert er sich daran, als sei es heute gewesen. Zu jener Zeit buckelt er doppelt so hart, dreimal so hart wie andere Männer, seine Söhne sind noch kleine Bengel, und wenn die Schicht im Stollen vorbei ist, morgens bei Tagesanbruch oder nachmittags um zwei, reitet er auf den Hügel, um noch einen oder einen halben Tag zu schuften. Das hier ist ein eisenharter Untergrund, werhier ein Bäumchen pflanzt, um später vielleicht mal seine Früchte zu ernten, der muss ein ordentlich tiefes Loch graben und es dann mit gut gedüngter Erde füllen, die noch nach frischem Mist stinkt, dann wächst die Pflanze gesund und stark heran.
Das Loch ist fast fertig, nur noch ein paar Schläge mit der Hacke, als ihre Spitze mit voller Wucht auf eine Terrakottavase trifft und sie in zwei Teile zerbrochen an die Luft zieht wie eine von einem Messer gespaltene Wassermelone. Die Münzen stieben in alle Richtungen wie flinke Tierchen, endlich frei, den Wind zu spüren, im warmen Licht der Sonne zu baden. Sie glitzern in dem offenen Loch, und er kann den Blick nicht von dem Glanz abwenden, ist gelähmt wie durch einen Feenzauber. Ist es wahr, was ich da sehe, oder träume ich? So dachte er und hütete sich, die Hand nach den Münzen auszustrecken. Er hatte immer gelacht, wenn von solchen Glückspilzen die Rede war, die beim Hacken im Weinberg oder beim Einreißen alter Mauern angeblich bis oben hin mit Münzen gefüllte Säcke gefunden hatten. Er glaubte nicht daran, eher hätte er an einen fliegenden Esel geglaubt, er glaubte einzig an die Kraft seiner Arme und seines Willens. Mit ihr allein hatte er es so weit gebracht, hatte seine Kinder aufgezogen und Stück für Stück den Rossarco erworben.
Vorsichtig berührt er die erste Münze, als hätte er Angst, sie könne zerplatzen. Er legt sie auf seine Handfläche und sieht sie sich genau an. Sie ist leuchtend grau wie Silber, nicht ganz rund, auf der einen Seite zeigt sie einen prächtigen Stier, der einen Fisch unter seinen Hufen betrachtet, auf der anderen ein Profil, man erkennt nicht, ob Männlein oder Weiblein, umkränzt mit einer Blätterkrone wie von einemOlivenbaum. Dann, als liefe die Traumzeit ab und die Münzen könnten von einem auf den anderen Moment verschwinden, sammelt er die restlichen mit Feuereifer ein und zählt sie: dreiunddreißig Münzen aus Silber, vier aus Bronze und zwölf aus Gold.
Der Gedanke an die Münzen raubt ihm den Schlaf: Was fange ich damit an? Sind sie wertvoll? Sehr, wenig, wie wertvoll? Wer kann mir das sagen? Und wem soll ich sie dann verkaufen? Und wo verstecke ich sie in der Zwischenzeit, wem kann ich trauen, wem, außer Sofia?
Seine Frau sagt, sie glaube, man müsse sie beim Bürgermeister oder den Carabinieri abgeben, denn so alte Münzen gehören immer dem Staat, und er wird zornig, Eselin, schreit er, Ehrlichkeit führt zu nichts in diesem Fall, wir sind umgeben von Halsabschneidern, die ehrliche Menschen bei lebendigem Leibe verschlingen, mitsamt allen Münzen. Christus klopft nur einmal an deine Tür, und wenn du ihn nicht erkennst, vertust du die Chance deines Lebens.
Monatelang gräbt er nun wie
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