Der Hügel des Windes
Melissa das Blaue vom Himmel versprochen hatten, während am Ende jede Familie ein kleines Stück steinigen Bodens bekommen hatte. Und doch reichte Zanotti-Biancos Ankunft, um eine frische Brise Lebensmut und Optimismus durch das Dorf zu fegen.
»Leider sind dies keine guten Zeiten für Ausgrabungen«, sagte er, an Michelangelo gewandt, nachdem er sich die Probleme der Menschen angehört hatte. Der junge Lehrer warf ihm einen verständnisvollen Blick zu, während einzweiter dem frischen Lächeln Marisas galt, die zwischen ihnen stand.
Im Laufe eines einzigen Tages plante und organisierte Zanotti-Bianco eine Landwirtschaftskooperative, die Gründung eines Kindergartens sowie einer Abendschule für die erwachsene Bevölkerung, die zu großen Teilen aus Analphabeten bestand. Die finanziellen Mittel wollte er selbst zur Verfügung stellen mit Unterstützung des von ihm gegründeten ANIMI-Vereins, die Räumlichkeiten bot die neue Kommunalverwaltung. Doch die Hauptsache, den Willen, sagte er, mussten die Bürger von Spillace aufbringen. Er sprach vor dem Bürgermeister, vor der Familie Arcuri und vor einem Publikum aus Bauern mit ihren Frauen und Kindern, die zu seinem Empfang auf der Piazza zusammengeströmt waren. Der Blick seiner blauen Augen umfing alle Anwesenden, weckte ihr Vertrauen. »Es hilft nichts, vor sich hin zu weinen«, sagte er überzeugt. »Wenn die Gesetzesmacht versagt oder gegen uns arbeitet, müssen wir dem Leben mutig entgegentreten, wie es unsere Bauern in diesen Jahren getan haben, und nicht darauf warten, dass andere von oben unsere Probleme lösen, wir müssen es selbst versuchen, Schritt für Schritt. Hier fehlt es an Brot und Arbeit, an Bildung und Kultur. Konkrete Aktionen sind der Ausgangspunkt, um die Grundlagen einer neuen Welt zu schaffen. Ich weiß, das mag nach einem Traum klingen, von unserer täglichen Not so fern und unerreichbar wie die Sterne. Und doch müssen wir daran glauben, und vor allem müssen wir es wollen.«
Als geübter Redner machte er hier eine lange Pause und schloss mit einem denkwürdigen Satz, den Marisa schon aus einem seiner Bücher kannte und den sich Michelangelo flugsnotierte: »Jede neue Welt entsteht aus solchen Sternensplittern, aus Träumen.«
Als Erste applaudierte Marisa Marengo, ein langer, anfangs einsamer Applaus, der rasch befreiend auf die anderen übergriff.
Die junge Frau, die bisher mit Zanotti-Bianco bei archäologischen Projekten zusammengearbeitet hatte, erklärte sich bereit, an der Abendschule zu unterrichten, ohne Bezahlung, sagte sie, schon vom kommenden Tag an.
Michelangelo unterstützte die Initiative voller Elan und schlug vor, sofort eine Runde durchs Dorf zu drehen, um die Erwachsenen an der Abendschule und die Kinder im Kindergarten anzumelden. Ausgerüstet mit Heft und Stift, ging er mit Marisa von Haus zu Haus, während Zanotti-Bianco und der Bauer-Bürgermeister die Grundzüge der Landwirtschaftskooperative besprachen.
Sie sammelten ganze dreiundsechzig Anmeldungen für den Kindergarten und einundsiebzig für die Abendschule, fast alles Paare. Ganz oben auf dieser Liste stand Donna Lina. »Ich habe die Grundschule bis zur dritten Klasse besucht, von vier Tagen war ich an dreien nicht da, und kriege mit Ach und Krach meine Unterschrift hin. Am Grips lag’s nicht, aber die Zeit fehlte und die Groschen für Bücher und Hefte, weil mein Vater mir keinen müden Dollaro aus seinem Merika schickte«, sagte sie beim Abendessen, an den Gast gewandt.
»Sie, Signora, sind weitaus klüger als viele gebildete Menschen, die ich kenne. Ich bin mir sicher, dass Sie mit Marisas Hilfe die verlorene Zeit aufholen können«, erwiderte Zanotti-Bianco.
Sie aßen mit Appetit, während sie die letzten Details derUnternehmungen besprachen. Die Abendschule sollte aus zwei Klassen bestehen, die eine mit sechsunddreißig Schülerinnen und die andere mit fünfunddreißig Schülern. In der ersten würde Dottoressa Marisa Marengo unterrichten, die in Spillace bleiben wollte und gleichzeitig den Kontakt zur ANIMI hielt, in der zweiten Maestro Michelangelo Arcuri. Für den Kindergarten würde man zwei Klosterschwestern und zwei Kindergärtnerinnen aus Crotone holen.
Im Nu war auch das Problem von Marisas Unterkunft gelöst. »Wenn Ihr wollt«, sagte Ninabella zu ihr, »könnt Ihr in meiner Kammer schlafen, dort stehen zwei Betten. Sie ist klein, aber wir werden uns schon arrangieren.« Marisa sagte gerne zu.
Später, als sie die Gäste zum Auto brachten,
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