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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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stritten, dann war im nächsten Moment alles wieder gut, wie mit ihrem Mann Arturo, nie ein böses Wort, nie ein Stachel im blutenden Fleisch, sagte sie, genau wie die Torinèsia, so eine anständige und feine Schwiegertochter, wie man sie nicht mal zuoberst im Erdenparadies findet.
    Mein Vater lachte aus vollem Hals und ich mit ihm, denn wir wussten beide, dass Mammalì in letzter Zeit alles vergaß, sogar was sie mittags gegessen hatte. Und tatsächlich fragte sie vor dem Friedhof zum x-ten Mal ihren Sohn, was Mammasofì ihm denn kurz vor ihrem Aushauchen erzählt habe, Friede ihrer Seele.
    Ohne Ankündigung warf mein Vater die Albino-Schwalbe hoch in die Luft, und zusammen sahen wir ihr hinterher wie einer Sternschnuppe. Dann, indem er das Friedhofstor aufschob, wiederholte er geheimnisvoll: »Sie hat mir ihre Wahrheit erzählt.« Kein Wort mehr.
    Die Albino-Schwalbe spreizte endlich die Flügel und schoss gerade wie eine Rakete über den Himmel zwischen dem Rossarco und Spillace. Sturköpfig suchte sie nach ihren Gefährten. Für ein paar Sekunden kreiste sie noch einmal über dem Friedhof, wie um uns zum Abschied dankbar zu grüßen, drehte dann in Richtung Horizont ab und verschwand in einer Wolke schwarzer Schwalben.
    Diese verfluchten Feiglinge, schimpfte mein Vater, respektierten nicht einmal den ersten strengen Trauermonat. Er verließ das Haus in dieser Zeit nur, um zur Schule und manchmalzum Friedhof zu gehen, dann zog er sich ins Wohnzimmer zurück und las. An einen Gang auf den Rossarco war nicht zu denken.
    Das Feuer brach an einem Sonntagabend aus. Ich sah eine Flut von Menschen auf der Piazza, die auf die lodernden Flammen starrten, und rannte zu meinem Vater. »Der Hügel brennt«, rief ich keuchend.
    Mammalì begann wie eine Verrückte zu kreischen: »O weh, o weh, schlimme Nachrichten, Mörderpack, sie sollen Weihnachten nicht mehr erleben, der Blitz soll sie versengen, bis sie nur noch ein Häuflein Asche sind.« Sie schrie so laut, dass sich das Haus innerhalb von zwei Minuten mit Nachbarinnen und Verwandten füllte.
    Mein Vater hatte mir, entgegen meinem Drängen, den Wagenschlag vor der Nase zugeknallt und war ohne mich losgefahren.
    Beleidigt ging ich zurück zur Piazza und sah die Menge, die sich auf Autos, Mofas und Kleinlaster verteilte, um den Brand löschen zu gehen. »Die Steineichen brennen«, sagten sie. »Zum Glück weht der Wind vom Meer und nicht zu stark, sonst gute Nacht du schöner Rossarco.«
    Vor Mitternacht war die Feuersbrunst gestoppt mit Hilfe einer horizontalen, über zwei Meter breiten Bresche, die eine Flut Freiwilliger mit Äxten, Hacken, Spaten und viel gutem Willen in den Wald geschlagen hatte. Ein paar Hektar waren in Flammen aufgegangen, sagte mein Vater, als er zurückkam, doch der Großteil des Tripepi war gerettet, und gerettet waren auch die Obstbäume und Rebstöcke, die Casella und der Rest unseres Hügels.
    Am nächsten Morgen in aller Frühe klingelte das Telefon. Es meldete sich ein feiger anonymer Anrufer, wie mein Vatermir berichtete, und fragte sarkastisch, ob ihm die Lektion mit dem Feuer gereicht habe.
    Er hatte ihn verflucht und aufgelegt. Doch noch am selben Abend und an den Folgetagen riefen wie von ungefähr abwechselnd die zwei Fremden an, die in unserem Haus gewesen waren. Sie wollten um jeden Preis das Stück Hügel, um ihre Ferienanlage zu bauen.
    Mein Vater ging zu den Carabinieri, erzählte von dem anonymen Anruf und nannte zum ersten Mal die Namen der zwei Fremden, die seiner Ansicht nach die Auftraggeber des Brandes waren.
    Zwei Tage später brachte er mich ohne jede Erklärung zu den Großeltern nach Turin, wo ich den Rest des Sommers verbringen sollte. Und als die Schule wieder anfing, kam er mich nicht holen. Er rief nur an und teilte mir mit, dass ich im neuen Schuljahr eine Mittelschule in Turin besuchen würde.
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte ich. »Ich will nicht, mir gefällt es hier nicht.«
    Er erwiderte trocken: »Deine Mutter ist einverstanden.« Und mit der Wucht einer Ohrfeige knallte er den Hörer auf.
    Seitdem war meine Beziehung zu Mama und Papa, zum Dorf und dem Hügel nicht mehr dieselbe. Ein dunkler Schlund tat sich zwischen uns auf, in den nur dann Licht fiel, wenn ich in den Sommerferien nach Spillace zurückkehrte oder meine Mutter zu Weihnachten nach Turin kam.
    Nur Mammalì gegenüber schaffte ich es nicht, kalt und mürrisch zu sein, sie brachte mich regelmäßig zum Lachen, wenn sie mir am Telefon die ewig

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