Der Hügel des Windes
Stunden ausruhen.«
Bevor das Telefonat abrupt abbrach, hörte ich einen Donnerschlag im Hintergrund und Worte, die wie ein Grunzen klangen und aus denen ich mir ein »Ich erwarte dich. Bis bald. Ciao« zusammenreimte.
Ich hatte nicht die geringste Lust auf diese unerwartete, vielleicht unnütze Reise, auf tonnenweise Regen und Schlamm, während es oben bei uns schneite, eine unberührte und geheimnisvolle Landschaft wie im Märchen, und die Wettervorhersage davon abriet, ins Auto zu steigen. Ich kam gerade aus der Schule. Auf dem Heimweg fielen mir tausend Ausreden ein, um nicht zu fahren, darunter auch eine, die selbst mein Vater akzeptiert hätte: »Es ist kaum mehr ein Monat bis zur Geburt, gerade jetzt kann ich Simona unmöglich alleine lassen.« Ich hörte nur eine Gegenstimme: »Wie wird mein Vater reagieren, wenn ich nicht komme? Was wird das Dorf von mir denken?«
Als Simona mich sah, merkte sie mir meine Zerrissenheit und Sorge sofort an. »Was ist passiert, mein Lieber? Was hast du? Erzähl, geht es dir nicht gut?«, fragte sie besorgt.
Ich berichtete ihr von dem Telefonat, und sofort schlug sie einen anderen Ton an und riet mir nachdrücklich von der Reise ab: »Wenn du fährst, bist du genauso verrückt wie dein Vater.«
Sie lächelte mich an, es sollte keine Beleidigung sein, sie war wunderschön mit ihrem großen Bauch voll Leben, den hohen, schwellenden Brüsten, der glatten Haut der Schwangeren. Sie hatte schon oft im Spaß gesagt, dass mein Vater komplett verrückt sei, dennoch wusste ich, dass sie ihn im Grunde schätzte. Und hätte sie an diesem Punkt aufgehört zu reden, hätte ich ihr vielleicht einen dankbaren Kuss gegeben und wäre geblieben. Doch sie fuhr fort: »Was willst du dort unten tun, den Erdrutsch per Gedankenkraft aufhalten oder mit deinen Herkulesarmen?« Eine Ironie, die ich von ihr nie erwartet hätte, bissig und völlig fehl am Platz.
Ohne weiteres Hadern ging ich packen. Dann verabschiedete ich mich mit der ganzen Kälte, derer ich in diesem Moment fähig war: »Wir sehen uns dann wohl in ein paar Tagen. Und hüte dich, vor dem errechneten Termin niederzukommen.«
Konnte sie ihn verstehen, diesen von Regen und Wind erstickten Schrei? Eine lange Nacht und eine weite Reise lagen vor mir, um die Wucht der letzten Erinnerungen zu mildern; und du, meine schwangere und schöne Liebe, hast mir mit deiner Überheblichkeit den letzten Nerv geraubt.
Um nicht einzuschlafen, versuchte ich, mir das Ende dieser Geschichte als Film vorzustellen, mit der Hintergrundmusik einer Chitarra battente aus den Autoboxen und des trommelnden Regens von draußen. Aber da jede Szene trotz all meines Optimismus von Simonas Bauch überlagert und dem finstren, Unheil verheißenden Wind durchkreuzt wurde, stand ich drei oder vier Mal kurz davor, umzukehren. »Wie wird mein Vater reagieren, wenn ich nicht komme? Was wird das Dorf von mir denken?« Und ich fuhr weiter.
Als ich am Fuß des Rossarco ankam, schüttete es wie aus Eimern, so dass ich nicht aus dem Wagen steigen konnte. Der Wind heulte ungestüm, spie wahre Sturzbäche über die Windschutzscheibe. Den Gipfel des Hügels konnte ich nicht erkennen, er bohrte sich tief in den dunklen Himmel, obwohl Mittag war; auch die übrigen Konturen verschwammen, die Landschaft schien sich in flüssige, verblichene Fetzen aufzulösen. Der Weg hinauf zur Casella hatte sich in den Lauf einer gewaltigen Schlammfiumara verwandelt, der weder mit dem Auto noch zu Fuß passierbar war.
Ich versuchte meinen Vater anzurufen, um zu sagen, dass ich da sei und hinaufkäme, sobald die Flut abschwoll. Doch sein Handy war ausgeschaltet, wie ich befürchtet hatte. Also schloss ich die Augen, um mich auszuruhen, und nickte trotz des Tosens von Regen und Wind über dem Lenkrad ein.
Geweckt wurde ich von einem hartnäckigen Pochen an die Seitenscheibe und der Stimme meines Vaters: »Schläfst du? Alles in Ordnung bei dir?« Ich wusste nicht, wo ich war, kniff die Augen zusammen. »Wach auf, es ist drei Uhr nachmittags.« Mein Vater öffnete den Wagenschlag und legte mir sanft die Hand auf die Schulter. Er dachte wirklich, es ginge mir nicht gut.
Das Erste, was ich sah, war sein besorgt auf mir ruhender Blick. Dann der Nebel, der aus der Schlucht der Timpalea aufstieg und im Treiben des Windes zu vielen weißen Wölkchen aufriss, die sich in den Ästen der Bäume verfingen oder im Himmel verpufften.
Es hatte aufgehört zu regnen.
»Ich bin um die Mittagszeit angekommen,
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