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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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Erklärung. Sind werden in zwei gleich große Gruppen geteilt. Anscheinend willkürlich. Die eine Hälfte wird aus dem Gefängnis geführt. Slawik muss gehen.  
    Alexander bleibt.   
    Dann bringen sie die Neuen.   
    Die Neuen sind anders.   
    Ihre Blicke sind anders.   
    Ihre Blicke sagen:   
    Wir sind Mörder.   
    Wir sind Vergewaltiger.   
    Wir sind Schänder.   
    Ihre Blicke sagen:   
    Ihr gehört uns.  
     
     
    ***
     
     
    Alexander ist dankbar für seinen Husten, seinen Auswurf, die nässende Wunde, die sein Haar ungesund glänzen und verkleben lässt. Er ist dankbar dafür, dass er seine Augen zusammenkneifen muss, wenn er etwas halbwegs scharf erkennen will. Er ist selbst für ein Opfer zu armselig, zu hässlich, hat Glück, dass er fünfzig ist und aussieht als wäre er hundert, bekommt deshalb nur selten einen Schlag ab.  
    Wenn er trotzdem gerade Ziel eines Übergriffs wird, achtet er darauf, dass er nicht am Hinterkopf getroffen wird.   
    Ab und zu erwischt ihn ein Stoß.   
    Dann schlägt er irgendwo auf.   
    Auf dem Boden oder einer Tischplatte.
    Aber das kann er überleben. 
     
     
    ***
     
     
    In der Nacht Schreie.  
    Niemand hört sie.   
    Auch er nicht.  
    Bevor er einschläft, sagt er still seine Dreifaltigkeit auf: „Im Namen Carolinas, des Johannes und des jüngsten der Zwillinge Benny“ Sein eigener Rosenkranz. Im Kopf. Er hilft ihm zu träumen. Von den richtigen Dingen zu träumen. Von den Dingen, die ihn am Leben erhalten.  
     
     
    ***
     
     
    Er kaut an seiner Brotscheibe. Noch langsamer, noch vorsichtiger. Einige Zähne sind locker. Es gibt für ihn keine zweiten Scheiben mehr, weil es keine Zigaretten mehr gibt. Die Neuen nehmen sie den Alten jetzt ab. Er hat um seine nicht gekämpft. Er hat zu viel Angst. Er sieht so schlecht. Sein Kopf schmerzt. Die Wunde.  
     
     
    ***
     
     
    Vor Alexander liegt eine Packung Zigaretten. Amerikanische. Er nimmt eine heraus, steckt sie in den Mund. Ein Blatt mit Streichhölzern. Zwei davon zerbricht er, bevor es ihm gelingt das dritte zu entzünden und den Tabak zum Glühen zu bringen. Er hustet. Die erste Zigarette seit zwei Jahren. Er blickt auf. Der Zivilist sitzt ihm gegenüber, beobachtet ihn. Im Hintergrund zwei Soldaten, die Hände hinter dem Rücken gekreuzt. Blicke stier nach vorn, an ihm vorbei gerichtet. Der Hustenreiz lässt nach. Das Nikotin entfaltet sich. Er entspannt sich, lehnt sich zurück, erwidert den Blick des Mannes, sagt nichts. 
    „ Sie wissen, was wir wollen?“ 
    Alexander schüttelt den Kopf. Blickt an die Decke. Grau gewordene weiße Asbestplatten.  
    „ Wir wollen den Namen des Überläufers.“ 
    Er lächelt. „Ich kenne ihn nicht.“  
    Der Zivilist sieht ihn an.  
    „ Werden Sie mich foltern?“ 
    „ Wir sind Sozialisten, keine Verbrecher.“ 
    Er nickt. „Es hat mich nur interessiert. Wollen Sie das Päckchen zurück?“  
    „ Sie können das Päckchen behalten.“ 
    „ Danke.“ 
    Er überlegt, wo er es am besten verstecken kann.   
    „ Haben Sie ein Klebeband?“ 
    „ Wieso?“ 
    „ Ich würde mir die Zigaretten gerne an den Oberschenkel kleben. Die Anderen nehmen sie mir sonst ab.“ 
    Der Zivilist wendet sich einer Wache zu, gibt ihr ein Zeichen. Der Wächter nickt, verlässt den Verhörraum.  
    „ Warum decken Sie ihn?“ 
    „ Wen?“ 
    „ Den Überläufer.“ 
    „ Ich decke ihn nicht. Wenn ich seinen Namen wüsste, würde ich ihn verraten. Ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich weiß nichts.“ 
    „ Sie wissen, dass Sie hier nicht wieder herauskommen?“ 
    Alexander nickt.  
    „ Ich glaube Ihnen nicht.“ 
    „ Was glauben Sie mir nicht?“ 
    „ Dass Sie die Hoffnung aufgegeben haben. Sie glauben immer noch, Sie würden eines Tages hier herausspazieren ...“ 
    Der Zivilist zieht ein eigenes Päckchen aus der Brusttasche seines Hemds. Klopft den Tabak, der aus einem Ende der Zigarette herausfranst an der Tischplatte fest. „... zu Ihrer Familie zurückkehren ...“  
    Alexander beugt sich vor. „Meine Familie hat damit nichts zu tun. Drohen Sie meiner Familie nicht.“  
    „ Ich kann ihrer Familie nicht drohen.“ 
    Er lehnt sich zurück. „Ich verstehe nicht.“  
    Der Verhörspezialist kramt in einer abgeschlagenen Aktentasche herum, die neben ihm auf dem Boden liegt. Er holt eine zerlesene Wiener Tageszeitung hervor, blättert, scheint etwas zu suchen.  
    „ Da.“ Er zeigt mit dem Finger auf eine Stelle des

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