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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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aufzulegen.  
     
     
    ***
     
     
    Sie wollte zuerst nicht glauben, dass es tatsächlich er war. 
    „ Du weißt, dass ich es bin.“ 
    Stille.   
    Dann ein leises Schluchzen.   
    Dann legte Sie auf.  
     
     
    ***
     
     
    Er ging in den Supermarkt zurück. Fand die Spirtuosenabteilung und nahm zwei 0,75 l-Flaschen Branntwein heraus. 
    Eineinhalb Flaschen später war er wieder dazu imstande auf die Straße zu gehen, die Telefonzelle, auf der anderen Seite aufzusuchen. Er hätte auch von zu Hause aus anrufen können, aber er hatte Angst davor. Auf der Straße zu sein, angezogen zu sein, zu frieren, während er mit ihr sprach, schuf eine Distanz, die ihn schützte.   
     
     
    ***
     
     
    „Ich bin es. Leg bitte nicht auf.“ 
    „ Ich lege nicht auf.“ 
    „ Ich bin es.“ 
    „ Das hast Du schon gesagt.“ 
    „ Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.“ 
    „ Erklär es mir.“ 
    „ Was.“ 
    „ Alles natürlich.“ 
    „ Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll.“ 
    „ Das ist einfach.“ 
    „ Am Anfang.“ 
    „ Genau.“ 
    „ Der Anfang ist nicht das wichtigste.“ 
    „ Für mich schon. Der Anfang ist der Moment, an dem Du uns verlassen hast.“ 
     
     
    ***
     
     
    „Irgendwann sagten Sie mir, Ihr wäret alle tot.“ 
    „ Tot?“, fragte sie leise. 
    „ Ja, ein Unfall. Sie hatten sogar einen Zeitungsartikel.“ 
    „ Warum sollten sie so etwas tun.“ 
    „ Um mich zu brechen. Und dann alles zu erfahren. 
    „ Was wollten sie wissen? 
    „ Alles.“ 
    „ Was hast Du ihnen erzählt.“ 
    „ Nichts.“  
    „ Nichts?“ 
    „ Nichts. Das war nichts. Da gab es nichts", log er. 
     
     
    ***
     
     
    Das Kleingeld reichte nicht aus. 
    „ Du hast mir noch nichts von Euch erzählt.“ 
    „ Ich weiß.“ 
    „ Wie geht es Dir. Wie geht es den Kindern?“ 
    „ Es geht uns gut.“ 
    „ Kann ich morgen vorbeikommen?“ 
    „ Morgen ist schlecht.“ 
    „ Wieso?“ 
    „ Weil ich zuerst mit ihm reden muss.“ 
    Er hatte gewusst, dass es „Ihn“ gab. Dvorschak hatte es ihm im Spital erzählt. An einem der unzähligen Tage, die er ihn besucht hatte. Als er ihm erklärt hatte, was passiert war in den fünf Jahren seines Todes.Wahrscheinlich hatte er auch Alexanders Hand gehalten, wenn dieser wieder einmal in erschöpfte Bewusstlosigkeit geglitten war.  
    „ Ich verstehe.“ 
    „ Gut.“ 
    „ Ja. Gut.“ Pause. Die graue LCD-Anzeige des Apparats begann zu blinken. „Die Verbindung bricht gleich ab.“ 
    „ Ruf mich an.“ 
    „ Wann?“ 
    „ Wenn Du wieder Kleingeld hast.“ 
    „ In Ordnung.“ 
     
     
    ***
     
     
    „Du hättest es mir erzählen müssen.“ 
    Sie saßen in dem schäbigen Kaffeehaus, nahe der Oper. Die feuchte Dezemberkälte wurde nur notdürftig von den alten Heizkörpern zurückgedrängt. Durch die Risse in den Fensterdichtungen pfiff eisige Zugluft. Er wünschte, sie wären woanders hingegangen. Irgendwohin, wo es warm genug war, dass man die Jacken ablegen konnte, wo es nicht so aussah, als wären sie darauf vorbereitet, jede Sekunde aufzustehen und das Lokal   zu verlassen. 
    Er sah sie an, sie blickte zur Seite, durch das Fenster hinaus, ins trübe Licht, vielleicht auch in ihr eigenes Spiegelbild, fragte sich vielleicht, wie sie vor fünf Jahren ausgesehen hatte. Ob sie wirklich so müde aussah, wie es ihr Abbild in der reflektierenden Fensterscheibe annehmen ließ.  
    „ Ich weiß. Es tut mir leid“ 
    Sie sagte nichts, starrte immer noch hinaus. An sich vorbei.  
    „ Wie geht es Euch? Wie geht es den beiden Kleinen.“ 
    „ Die sind nicht mehr so klein.“ 
    Er senkte den Kopf, betrachtete das Muster der marmorierten Tischplatte. „Ich weiß. Es tut mir leid.“  
    Sie seufzte. „Du willst sie sehen?“  
    „ Ich muss sie sehen.“ 
    Sie nickte. „Ich weiß“  
    „ Es tut mir leid.“ 
     
     
    ***
     
     
    Nachdem sie begonnen hatte, fiel es ihr schwer, aufzuhören. „... ich stand vor dem Nichts. Kein Geld war da, kaum etwas gespart. Wir mussten ausziehen, neue Schule, weißt Du, was das alles heißt?“ Sie wartete seine Antwort nicht ab. „Ich musste jemanden finden, der uns hilft. Ich musste einfach. Meine Zeugnisse aus Kuba sind hier nichts wert. Ich hätte es alleine nie geschafft. Und er ist gut zu mir. Er ist gut zu uns.“  
    Sie hielt inne, sah ihn an.   
    Diesmal brach er den Blickkontakt ab, sah zur Straße hinaus.   
    „ Er ist nicht Du. Aber er erzählt mir alles, ich

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