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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Weitmayr
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weiß alles, ich weiß, wo unser Geld liegt, ich weiß, was passiert, wenn ihn eine U-Bahn totfährt, ich weiß, was ich dann tun kann, er ist versichert ...“  
    Sie unterbrach sich, versuchte nicht mehr, seinen Blick zu finden, sprach mehr zu sich selbst als zu ihm.  
      „Er war immer gut zu mir. Und das obwohl ich keine siebzehn mehr bin.“ Sie lachte kurz auf, als sie sich das sagen hörte. „Keine Siebzehn ... keine siebenunddreißig ...“ 
    Sie schwiegen beide.  
    „ Er hat es nicht verdient, dass ich Dich zurück nehme und ihn zurück lasse.“ 
    Er nickte.  
    „ Wann kann ich sie sehen?“ 
    „ Morgen erzähle ich es ihnen. Danach, wann sie wollen.“ 
    Er nickte.

1989
     
     
    Sie saßen im Wienerwald. Es war etwas überheizt, aber das störte ihn nicht. Er hatte die Kälte des Gefängnisses nie aus den Knochen gebracht. Einen anderen hätten die Jahre vielleicht abgehärtet, ihn nicht. Das Frieren steckte in ihm fest, und verbiss sich mit jedem Monat mehr in ihm.  
    „ Hier hat sich wenig geändert“, stellte er fest. 
    Dvorschak lächelte, bereits ein wenig weinselig. „Ja, nicht wahr? Manche finden das schlecht. Ich finde das gut.“  
    „ Ja.“ Alexander konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich finde das auch gut. Wie geht es Ihrem Hühnerführer?“ 
    „ Ach“, seufzte Dvorschak bekümmert. „Nicht gut. Die Recherche ist in letzter Zeit ein wenig ins Stocken geraten.“ 
    „ Zu wenig Zeit?“ 
    „ Zu wenig Kraft.“ Dvorschak blickte über die Speisekarte. „Ich dachte immer, dass es die Familie ist, die Energie und Zeit raubt. Aber es ist umgekehrt. Die Zeit wird vielleicht weniger, aber man nützt sie bewusster. Sie hat mehr Sinn.“ 
    „ Ich weiß genau, was Sie meinen. Sie hätten sie nicht gehen lassen dürfen.“ 
    Dvorschak schüttelte den Kopf. „Es gab nichts, mit dem ich sie hätte umstimmen können. Sie sagte, sie liebe mich nicht mehr und es tue ihr leid. Und das trotz der Kinder!“  
    „ Die Kinder …?“ 
    „ Ja, die Kinder. Das schweißt doch angeblich zusammen.“ 
    „ Es kettet einen zusammen. Was aber egal ist. Das Resultat ist dasselbe.“ Er hob das Glas zum Salut. „Auf unsere Frauen und Kinder.“ 
    „ Prost!“ 
    „ Und nachher gehen wir ins Puff.“ 
     
     
    ***
     
     
    „Ich dachte, wir wollten ins Puff?“ Dvorschak stocherte mit einem kleinen rosa Schirmchen in seinem Drink herum. Sie saßen in einer der wenigen halbwegs erträglichen Bars der Inneren Stadt, in komfortabler Entfernung zum teenagerverseuchten Bermuda-Dreieck rund um die Ruprechtskirche. 
    „ Ich war mein Leben lang in keinem Puff. Jetzt wäre ein komischer Zeitpunkt, damit zu beginnen.“ 
    „ Glauben Sie, Ihre Frau kommt zurück?“ 
    „ Nein. Ihre?“ 
    „ Nein. Auch nicht.“  
     
    ***
     
     
    „ Es muss Fleischer gewesen sein.“ 
    „ Was gewesen sein?“ 
    „ Der mich verraten hat. Fleischer muss es gewesen sein. Wer sonst?“ 
    „ Was hätte er davon gehabt?“ 
    „ Woher soll ich das wissen? Geld?“ 
     
     
    ***
     
     
    „Er hat mir alles genommen.“ 
    „ Fleischer?“ 
    „ Fleischer.“ 
    „ Was wollen Sie tun?“ 
    „ Mich rächen, was sonst?“ 
    „ Wie?“ 
    „ Das fällt mir noch ein. Ich habe es nicht eilig.“ 
    „ Zuerst sollten wir Urlaub machen.“ 
    „ Urlaub...“ 
    „ Sie waren fünf Jahre weggesperrt. Höchste Zeit, Urlaub zu machen.“ 
    „ Vielleicht haben Sie recht.“ 
    „ Ganz sicher habe ich recht. Und wenn wir zurück sind, machen wir einen Plan.“ 
    „ Wie ich mich an Fleischer rächen kann?“ 
    „ Wie Sie sich an Fleischer rächen können.“ 
     
     
    ***
     
     
    „Hola, Señor, que tal?“ 
    „ Hola Señorita, muy bien. Y usted?“ 
    „ Gracias, tambien. Quiere bailar?“ 
    Die beiden Männer sahen sich an. Grinsten. Spürten die Jahre nicht. Das erste Mal nach sehr langer Zeit.  
    „ Ach, Kuba!“

1989
     
     
    Er war froh, dass ihm Dvorschak einen Wagen mit Servolenkung geliehen hatte. Die Gelenke seiner Finger schmerzten im Winter besonders, er hätte Mühe gehabt, ein Auto mit mechanischem Lenkrad exakt zu steuern. Es war ein modernes Fahrzeug. Die ins tiefste rot gedrehte Air Condition zehrte an der Leistung des Motors. Was ihm aber an jenem Tag, egal war. Er hatte Zeit – Zeit, von der er wusste, er würde sie benötigen. Denn nach fünf Jahren fiel es ihm schwer, die Stelle wiederzufinden. Die Straßenzüge hatten sich hier, mitten im

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