Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
gefunden. Er nahm sie an sich, öffnete den Wagen, warf die schmutzige Schaufel auf die makellos saubere Rückbank und riss das Säckchen auf. In die geöffnete Hand fielen ein Pass und ein Zettel. Er fluchte, faltete das kleine Stück Papier auf.
„ Den Pass schenke ich Ihnen. Wenn sie das andere wollen, rufen Sie diese Nummer ...“
Er zündete den Motor und fuhr schneller nach Hause, als es seinem fahrerischen Geschick entsprach.
***
Er hörte das Klicken am anderen Ende der Leitung. „Ja?“
„ Alexander hier. Ich brauche eine Waffe.“
Leises Hintergrundrauschen. Atmen.
„ Eine Waffe?“
„ Ja.“
„ Wozu?“
„ Ich will mir etwas zurückholen.“
„ Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“
„ Ich bezahle Sie natürlich.“
„ Darum geht es nicht.“
„ Ich brauche eine Waffe.“
Stille.
„ In Ordnung.“
„ In Ordnung?“
„ Ja.“
„ Gut. Danke. Wann können wir uns treffen?“
„ Morgen.“
„ So schnell?“
„ Je schneller, desto besser. Sonst überlege ich es mir noch anders.“
„ Morgen. In Ordnung.“
***
Sie saßen im Wienerwald. Obwohl es Mittag war, war der Raum beinahe leer. Vor Dvorschak lag ein dickes, gelbes Postkuvert, eines von den gefütterten.
„ Es ist wirklich traurig“, sagte Dvorschak. „Aber dieses Restaurant ist inzwischen einer der beste Plätze, wenn man einen Treffpunkt mit möglichst wenigen Menschen sucht.“
Alexander nickte. „Eine Tragödie.“
Dvorschak zeigte auf das Paket. „Sie können damit umgehen?“
„ Natürlich. Ich war ja schließlich beim Militär.“
„ Sie waren nie beim Militär. Sie waren untauglich.“ Dvorschak lächelte. „Oder haben zumindest gut simuliert. Die Zuckerkrankheit, die Sie bei der Stellung angegeben haben, ist ja nie wirklich virulent geworden, oder?“
Alexander zuckte mit den Achseln. „Von mir aus.“ Dann deutete auch er auf das Kuvert. „Ist sie gesichert?“
„ Ja, natürlich.“
„ Dann kann ja nichts passieren.“
„ Was soll das heißen.“
„ Ich habe nicht vor damit zu schießen. Ich will nur, dass jemand glaubt, ich wäre dazu bereit. Das ist alles.“
Dvorschak überlegte. „Passen Sie darauf auf. Und wenn sie fertig sind, will ich sie zurück.“
„ Ich werde 'damit' nicht so schnell fertig sein.“
„ Was meinen Sie.“
„ Ich glaube, ich werde beschattet. Ich weiß nicht, wann ich sie brauche. Ich möchte mich nur sicherer fühlen.“
Dvorschak zögerte. Nichts von dem, was Alexander erzählte, passte zusammen. Trotzdem schob er die Waffe über den Tisch. „In Ordnung. Behalten Sie sie. Sie ist ohnehin nicht nachverfolgbar. Und geben Sie Acht. Sie ist zwar gesichert, aber geladen. Schießen Sie sich nicht ins Bein.“
Alexander nahm das Paket an sich, steckte es in die Außentasche seiner Jacke. Es fühlte sich beruhigend schwer an.
„ Was ist es überhaupt für eine Pistole?“
„ Eine Glock 17C, die beste Faustfeuerwaffe der Welt.“
Alexander nickte. „Ich brauche noch etwas.“
Dvorschak seufzte. Alexander schob ihm einen Zettel mit einer Ziffernfolge zu. „Können Sie herausfinden, welche Adresse zu dieser Telefonnummer gehört?“
„ Das kann ich.“
„ Bitte. Es wäre wichtig.“
Dvorschak nickte. „In Ordnung.“
„ Wie lange wird das dauern?“
„ Morgen sollte ich sie haben.“
„ Tun Sie mir noch einen Gefallen?“
Dvorschak zog fragend die Augenbrauen hoch.
„ Diese Nummer...“
„ Ja?“
„ Können Sie sie übermorgen um 10:03 Uhr anrufen?“
Dvorschak lachte. „Auf Ihre alten Tage werden Sie also doch noch zu einem richtigen Spion … was soll ich sagen, wenn die Person abhebt?“
„ Sie wird nicht abheben. Wenn doch, habe ich es nicht geschafft.“
***
Der Türsummer läutete. Der Mann drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage: „Ja?“
„ Post! Ich habe ein Paket für Frau Brüller, aber die macht nicht auf. Würden Sie es bitte annehmen?“
„ Frau Brüller ist nicht zu Hause?“
„ Sie macht zumindest nicht auf.“
„ Das wundert mich. Sie ist alt und geht selten außer Haus.“
„ Dann sollten Sie es annehmen, damit sie nicht extra auf die Post muss.“
Der Mann überlegte kurz, schließlich drückte er auf den Türöffner. Dann wartete er im Türstock, hörte den Schritten zu, merkte, wie
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