Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
aufzuschlitzen. Ja, dessen bekenne ich mich schuldig“, fiel ihm Wittiges ruhig ins Wort. Er ließ sich von diesem aufgeblasenen Krötenarsch doch nichts anhängen. Keiner von Wandalenus’ Leuten war an der Klosterpforte dabei gewesen, nur seine eigenen, und Otho, der Dinzige, der sich gegen ihn gestellt hatte, war tot.
Bischof Aegidius von Reims nahm ebenfalls an der Beratung teil. Noch rechtzeitig vor Ausbruch des Kriegs war er von der Synode in Paris heimgekehrt. Er neigte sich vor. „Warum hast du das getan?“, fragte er neugierig.
„Weil ich es verabscheue, dass Menschen, die mit den Kriegen nichts zu tun haben, ihres wenigen Golds und Silbers beraubt und getötet werden. Wir alle leben letztlich besser von den Erträgen des Landes, von Handel, Handwerk und Landwirtschaft als von Kriegsbeute. Nehmen wir doch nur den Handel. Wenn wir das Handelsnetz zerstören, indem wir die Händler abschlachten, schaden wir uns nur selbst.“
Verblüfft strich sich Remigius über das glatt rasierte Kinn. „Das ist ein ganz neuer Gedanke. Und er hat etwas für sich.“
„So redet nur ein Narr“, entgegnete Wandalenus. „Er ist dem Kampf immer wieder ausgewichen. Entweder ist er ein Feigling oder ein Spion! Wie kommt es denn, dass Chilperich so rasch seine Truppen gegen uns führen konnte? Doch nur, weil er eine Warnung erhalten hatte. Er hat den Feind gewarnt.“ Wandalenus zeigte mit ausgestreckter Hand auf Wittiges.
„Wenn alle das glauben, müsst ihr mich festnehmen“, sagte Wittiges.
„Das kommt nicht infrage!“, rief Brunichild. „Ich kenne Wittiges“, fuhr sie leiser fort. „Wenn mich alle verraten würden, wäre er der Einzige, der zu mir hält.“
Einen Augenblick saßen alle stumm und unbewegt da, dann stand Gogo auf und trat gewichtig in die Mitte der Versammlung. „Ich schließe mich voll und ganz der Äußerung der Königin an. Seit vielen Jahren und in unzähligen Konflikten hat Wittiges seine Treue bewiesen, daran kann niemand rütteln, auch du nicht, Wandalenus. Du bist nicht lange genug am Hof, und es schickt sich nicht für dich, einen der verdienstvollsten Männer der Krone zu verunglimpfen.“
Damit waren die Vorwürfe gegen Wittiges erst einmal vom Tisch. Die Beratung wandte sich der Frage zu, wie man Näheres über Merowechs Schicksal herausfinden könne und Wittiges bot widerstrebend an, über das Handelsnetz Erkundigungen einzuholen. Das leuchtete allen sofort ein, eine große Erleichterung machte sich breit, die ihm verriet, was niemand auszusprechen wagte: In Wirklichkeit konnte Merowech in einem Kerker verrotten oder viergeteilt auf dem Marktplatz in Paris enden, es war ihnen gleichgültig. Sobald eine derartige Nachricht eintraf, war für sie der Fall erledigt. Denn Merowech hatte sie in einen unnötigen Krieg getrieben, der vielen Männern das Leben gekostet und mit einer Niederlage geendet hatte.
Als die Versammlung sich auflöste, gab Gogo Wittiges ein Zeichen, dass er noch bleiben solle. Zu beider Überraschung gesellte sich Wandalenus zu ihnen.
„Da wäre etwas über deinen Besitz zu klären“, äußerte er.
„Ich wüsste nicht, was“, entgegnete Wittiges schroff.
„Das wirst du gleich erfahren“, erklärte Wandalenus nicht einmal unfreundlich, aber dennoch in einem Ton, der Wittiges gereizter und wachsamer machte. „Es geht um ein Anwesen, dass als Theodos Hof registriert ist. Wie bekannt geworden ist, verschwand der Pächter. Damit fällt das Lehen an die Krone zurück.“
„Theodos Hof gehört mir, und ich lebe, wie du siehst“, erklärte Wittiges verwundert.
„In den Unterlagen ist als Herr des Besitzes ein gewisser Cniva eingetragen, und dieser ist verschollen. Das stimmt doch, oder?“
„Was heißt hier überhaupt Lehen?“, brauste Wittiges unvermittelt auf. „Ich habe für Theodos Hof bezahlt. Also noch einmal: Der Hof gehört mir, und Cniva war mein Lehnsmann.“
Wandalenus lächelte dünn. „Du hast nicht mehr und nicht weniger als eine Lehnsgebühr entrichtet. Theodos Hof gehört zu den Latifundien der Krone, das war schon immer so, und daran wird sich nichts ändern. Die Rechtslage ist sicherlich so kompliziert, dass du dich damit nicht auskennst. Glaub mir, das geht auch anderen so.“
Es gab verschiedene Arten von Lehen, und Wittiges hatte sich bisher nie um die Feinheiten seiner Besitzurkunden gekümmert. Er war davon ausgegangen, reine Erblehen zu besitzen, die höchste Form der Lehen überhaupt. Also konnte er mit Fug und Recht
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