Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Lupus nicht gerade höflich.
Durch die Pergamenthäute, die vor die Fenster gespannt worden waren, erhielt das Winterlicht einen warmen, fast goldenen Ton. Zusätzliche Behaglichkeit schufen eiserne Wärmeöfchen, in denen heiße Getränke bereitgehalten wurden. Aber die meisten bevorzugten ungemischten Wein.
Brunichild saß auf einem kleinen Podest vor einem leuchtend farbigen Wandbehang. Gogo hatte hinter ihrem Sitz Stellung bezogen, wartete, bis sich das Räuspern legte und setzte sich dann auf einen Stuhl neben sie. Die Sitzung war eröffnet.
„Wie ihr wisst, hat mein Gemahl in einem Kloster in Tours Zuflucht gefunden. Wie gedenkt ihr, ihm eine sichere Rückkehr nach Metz zu ermöglichen? Wenn ihr ihn befreit, könnt ihr auch gleich Tours von Chilperichs Horden säubern. Ich muss euch nicht daran erinnern, dass die Stadt von Rechts wegen uns gehört“, sagte sie.
Einen der kostbaren, goldüberfangenen Weinpokale in der Hand, die Brunichild vor vielen Jahren als Teil ihres Brautschatzes aus Toledo mitgebracht hatte, stand Lupus bedächtig auf. Er hielt das Glas dermaßen achtlos, dass Wein auf den Mosaikboden tropfte und es so aussah, als würde er es gleich fallen lassen. Am liebsten hätte sie ihn deswegen angeschrien.
„Wir können nicht gegen Tours ziehen“, entgegnete er bestimmt. „Wir würden sonst den Norden entblößen, und außerdem steht der Winter vor der Tür. Ja, hätte es diesen Feldzug gegen Soissons nicht gegeben, sähe die Sache vielleicht anders aus. Wir müssen immer noch damit rechnen, dass Chilperich zu einem Vergeltungsschlag ausholt.“ Lupus stellte einen Fuß auf das Podest und sprach nachdenklich weiter. „Es schiene mir auch nicht sonderlich ratsam, wenn dein Gatte Merowech hierherkäme. Zum einen halten ihn viele für einen Kriegstreiber, der für den Tod unserer Söhne, Brüder und Väter verantwortlich ist, zum anderen müssen wir mit einem neuen Krieg rechnen, sobald Chilperich erfährt, dass Merowech hier ist. Willst du das? Willst du einen neuen Krieg?“ Anklagend schaute er sie an.
Alle blickten sie an. Und in ihren Mienen las sie die Wahrheit: Weder war Merowech hier willkommen, noch wollten sie länger von einer unvernünftigen Frau regiert werden. Gogo, wandte sie sich im Stillen an ihren letzten Verbündeten, warum trittst du nicht für mich ein? Als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte sie, wie er schmerzlich das Gesicht verzog. Litt er an einem Gichtanfall oder brachte er zum Ausdruck, dass auch er ihr die Heirat nicht verziehen hatte? Merowech würde auf alle Fälle versuchen, zu ihr zu gelangen. Nur, wie konnte sie ihn vor ihren eigenen Leuten schützen?
16
Wittiges genoss in vollen Zügen mit Aletha zusammen ein warmes Bad in einem der großen Becken der hauseigenen Therme. Den Rücken an ihre Brust gelehnt, teilten sie sich einen Becher gewürzten Wein und plauderten leise miteinander. Vorher hatten sie sich im warmen Wasser behutsam geliebt. Es gab kein besseres Mittel, um die hinter ihm liegenden Schrecken zu vergessen.
Vor genau zwei Tagen war er heimgekehrt.
Als er geglaubt hatte, im Morast zu ersticken, hatte ihn ein letzter Gedanke an Aletha gerettet. Unwillkürlich hatte er die Muskeln angespannt, er hatte sich aufgebäumt, mit einer gewaltigen Anstrengung den Kopf aus dem Schlamm gerissen, keuchend nach Luft geschnappt, gehustet, Schlamm gespuckt und wieder gespuckt und dann erst gemerkt, dass seine Verfolger abgezogen waren. Pferdewiehern und Hufschlag verklangen in der Ferne. Gerade, als er sich zitternd vor Kälte aus dem Dreck herausarbeitete, kam der Hufschlag wieder näher und näher, und es blieb ihm nichts übrig, als wieder zurückzukriechen. Aber er brachte es nicht fertig, den Kopf in den Moder zu drücken, um sich wieder tot zu stellen.
Es war nur ein reiterloses Pferd - sein Pferd. Der Falbe musste sich losgerissen haben, er schleifte den Zügel nach sich, trat vorsichtig zu ihm und senkte den Kopf zu ihm herab, bis er ihm über die Nüstern streichen konnte. Es war, als wäre Bauto in einem seiner Söhne auferstanden.
Der kleine Hengst schnoberte und wieherte leise. Wittiges griff in die lange Mähne und zog sich daran hoch, bis er sich aus dem Sumpf befreien konnte. Zum Schluss hangelte er sich auf den Pferderücken und ritt mit aller Vorsicht quer durch den Wald davon.
Wittiges schüttelte die Erinnerung ab. Er schenkte neuen Wein ein und ließ Aletha als Erste am Glas nippen. Es ging ihr endlich besser, allerdings ermüdete sie
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