Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Zustand versetzt hat. Samuel hat erklärt, dass es ein ihm wohlbekanntes Leiden ist, gegen das es kein Heilmittel gibt. Alles, war man tun kann, ist, die Schmerzen zu lindern. Etwas wächst in ihrem Innern, das nach und nach alle Lebenskraft aufsaugt. Eine Art Geschwulst. Manchmal wächst sie schneller, manchmal langsamer, aber er denkt, dass Aletha nicht mehr viel Zeit bleibt. Ein paar Monate noch. Gegen die Schmerzen hat er ein Mittel mitgebracht, von dem sie aber nur wenig auf einmal nehmen darf, da es zu merkwürdigen Rauschzuständen führt. Ein Saft, der aus einer Mohnpflanze gewonnen wird, aber es ist kein Mohn, wie er hier gedeiht. Wenn das Mittel aufgebraucht ist, sollen wir ihn benachrichtigen, dann schickt er mehr davon. Sie wird sterben, Wittiges.“
Was gab es noch zu sagen? Dass er es sofort geahnt hatte, als er den fortgeschrittenen Verfall bemerkt hatte? Dass die Krankheit unzweifelhaft eine Strafe Gottes für seine Sünden war? Oder gab es eine andere Erklärung?
„Weiß sie es?“
„Sie hat alles genau wissen wollen. Du kennst sie, sie fürchtet sich nicht, die Wahrheit zu erfahren. Ich glaube, es hat sie eher erleichtert, dass die Ursache ihrer Krankheit eine andere ist als wir angenommen hatten. Der Auslöser war nicht das Unglück damals.“
Die Nachricht, dass Felix entführt worden war.
Auch eine Strafe.
„Als ich erfuhr, dass Felix tot ist, konnte ich um ihn trauern. Ich trauere noch, aber einiges ist nun anders geworden.“
„ Du scheinst mir ein anderer geworden zu sein“, sagte Pontus.
„Glaubst du? Ich denke nicht.“ Da war es wieder, das Gefühl der Verworfenheit, das ihn so lange verfolgt hatte. Von allen Seiten drängte es heran, die Schuld, die sich riesengroß vor ihm und um ihn herum auftürmte. „Bleib hier, ich muss dir etwas zeigen.“
Er stand auf und taumelte hinaus, er wusste, wo er die Gewandfibel der Awarin suchen musste. Als er sie gefunden hatte, kehrte er zurück und begann unvermittelt zu erzählen. Die Worte fielen aus ihm heraus, als hätten sie nur auf die Gelegenheit gewartet, während er das schwarz angelaufene Ding zwischen den Fingern hin- und herdrehte. Er erzählte von der jungen Frau, seiner Leidenschaft für sie, von ihrem und Bautos Tod und führte alles auf, worin er in den letzten Jahren gefehlt hatte, sprach über das Gefängnis, in dem er innerlich gesteckt hatte, die Unfreiheit seiner Seele, die Belastung, die Qual, aus der er so lange nicht herausgefunden hatte und die ihn wie ein Überfall aus dem Hinterhalt erneut gepackt hatte. Er machte seine Schuld weder kleiner noch größer, er breitete sie nur vor Pontus aus, damit endlich jemand einen Blick darauf warf und ein gerechtes Urteil sprach.
Pontus hörte zu und schwieg eine Weile, nachdem er geendet hatte. „Jetzt verstehe ich dich“, sagte er schließlich leise.
„Bin ich ein verworfener Mensch, den Gott straft, indem er diejenigen, die mir lieb sind, an meiner Stelle leiden lässt?“
„Nein.“
„Und Aletha?“, flüsterte Wittiges. „Ich habe zwei Jahre in einer Hölle verbracht, die ich mir selbst geschaffen hatte. Der heilige Martin hat mir einen Weg zur Erlösung gezeigt, aber nun ...“
„Begreif doch, dass auch du nur ein sündiger kleiner Mensch bist, voller Fehl, voller Irrtümer wie wir alle, angewiesen auf Gottes verzeihende Gnade? Alethas Krankheit ist ein Schicksalsschlag, nichts weiter. Und Felix ...“
„Du verurteilst mich nicht?“
Warm drang Pontus’ Stimme durch die Nacht an Wittiges’ Ohr. „Wie könnte ich! Ich bin ganz gewiss nicht dein Richter. Aber ich danke dir, dass du mich ins Vertrauen gezogen hast, das ist mir viel wert. Und nun ist mir leichter.“
Wittiges trank einen Schluck Wein, schaute zu den Sternen hinauf, lachte leise und schüttelte den Kopf. „Mir auch.“
„Was hab ich mir für Sorgen um dich Holzkopf gemacht. So viele gehen zu Grunde, weil sie die Richtung im Leben verlieren. Und Felix ...“
„Jetzt endlich kann ich ihn loslassen.“
Wieder versanken sie in Schweigen.
„Wirst du Ulf nun anerkennen? Er verdient es, dass du ihn in die Familie aufnimmst.“
Wittiges bedachte sich gründlich. „Solange Felix’ Schicksal ungeklärt war, hätte ich es nicht gekonnt. Aber lass uns ein andermal darüber reden.“ Er wollte Aletha keinen neuen Kummer bereiten. Ulf an die Stelle von Felix in alle Rechte eines Erben einzusetzen, während sich Felix’ Mutter auf den Tod vorbereitete, wäre eine Grausamkeit. Ulf musste
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