Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
ab.
„Willst du dich nicht endlich waschen?“, fragte ihn Wittiges, während er ihn beim Trinken beobachtete. „Du stinkst gewaltig.“
„Du auch“, gab Pontus gleichmütig zurück, nachdem er den Krug abgesetzt hatte.
Er hatte nicht ganz unrecht. Zwar hatte sich Wittiges gewaschen und das Gewand gewechselt, aber auch er spürte den Rauchgeruch, der ihm vermutlich noch in den Haaren hing.
Innerlich fühlte er sich aufgewühlt und gleichzeitig seltsam ruhig.
„Ich konnte noch gar nicht nachfragen: Ist das Korn angekommen, das ich aus dem Süden geschickt habe? Und der Purpur?“
„Ja, es ist alles da. Du brauchst dich nicht zu sorgen, wir kommen über den Winter. Allerdings kann es bei den zusätzlichen Mäulern knapp werden. Und wir müssen die Bauern unterstützen.“
Sie würden die Knechte und Mägde von Theodos Hof mit durchfüttern müssen und natürlich Chramm und seine kleine Familie. Aber schwerer wog die Tatsache, dass seine Bauern ihrer Abgabepflicht nicht nachkommen konnten und er kaum in der Lage war, die fälligen Steuern für das Gut zu entrichten. Von Jahr zu Jahr spürte er stärker den Würgegriff einer Gesetzgebung, die den Verhältnissen immer weniger gerecht wurde.
Eine Magd trat zu ihnen in den Hof, Wittiges alten schäbigen Mantel über dem Arm. „Die Herrin sagt, ich soll ihn wegwerfen, mit den vielen Löchern, Rissen und Flecken taugt er nichts mehr, aber ich soll erst dich fragen“, berichtete sie zögernd.
Wittiges nickte uninteressiert. Die Magd wollte den Hof wieder verlassen, da sprang er auf. „Nein, warte, gib ihn mir!“ Er rannte ihr nach, und sie blieb erschrocken stehen. Beinahe grob riss er ihr den Mantel aus den Händen und drückte ihn aufatmend an sich. „Es ist gut, du kannst gehen“, entließ er die Frau. „Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe, das habe ich nicht gewollt“, ergänzte er freundlich, als er die entsetzte Miene der Magd wahrnahm, und hielt ihr galant die Tür auf.
„Hängen besondere Erinnerungen daran?“, erkundigte sich Pontus, als Wittiges zu ihm zurückgekehrt war.
„Kann man so sagen“, brummte dieser. „Leihst du mir dein Messer?“
Pontus reichte ihm das kleine Speisemesser, das er stets bei sich führte, und sah zu, wie Wittiges den Saum des Mantels auftrennte. Als der erste Edelstein aufschimmerte,
legte Pontus die Hände zu einer Schale zusammen, und die kostbaren Steine, an die Wittiges längst nicht mehr gedacht hatte, fielen nacheinander hinein. Sorgsam schloss Pontus die Hände um das Häuflein. „Ich wusste zwar, du wolltest Edelsteine besorgen, aber ich hab angenommen, sie sind verloren gegangen. Jetzt können wir es uns leisten, Chramm beim Aufbau von Theodos Hof unter die Arme zu greifen. Oder was meinst du?“
„Ich meine, dass ich Wandalenus nicht so davonkommen lasse. Er muss für den Schaden aufkommen. Ich strenge eine Klage gegen ihn an.“
„In Metz? Tu’s nicht“, widersprach Pontus entschieden. „Zumindest nicht sofort. Du wirst deine Kraft für etwas anderes brauchen. Hier bei uns.“
Als keine weitere Erklärung folgte, dachte Wittiges einen Augenblick nach. „Aletha?“
„Dieser Mann namens Samuel war hier und sagte, du hättest ihn geschickt.“
„Welcher Samuel?“ Wittiges sprang auf und ließ sich langsam wieder auf die Bank sinken. „Etwa der jüdische Arzt aus Chalon?“
„Ebender.“
„Aber er hatte abgelehnt, sich Aletha anzusehen. Ich hab ihn angefleht, nach casa alba zu kommen, und er hat immer wieder abgelehnt. Ich hab ihm versprochen, ihn fürstlich zu bezahlen ...“
„Das hab ich in deinem Auftrag getan“, unterbrach ihn Pontus, um die Rede abzukürzen.
„Was hat er festgestellt? Was fehlt ihr? Kann sie geheilt werden?“
Pontus antwortete nicht, sah ihn nur aufmerksam an.
„Nein“, nahm ihm Wittiges die Antwort ab. „Also hat sich Samuel vergeblich herbemüht.“
Die Nacht brach herein. Über dem Hof funkelten die ersten Sterne. Wittiges nahm ihr Geflimmer mit eigentümlicher Intensität wahr, so als stünde die Zeit still. Nur ein schwacher Lichtschimmer drang aus dem Speisezimmer zu ihnen heraus. Es war angenehm, in diesem Dämmerlicht zu sitzen, in dem die Konturen verwischten, sich dafür das Gehör schärfte, bis im Klang der eigenen Stimme Schwingungen spürbar wurden, die über die Bedeutung der Worte hinaus etwas mitteilten. Kummer, Leid, Endgültigkeit.
„Immerhin wissen wir nun, dass nicht die Fehlgeburt Aletha in diesen elenden
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