Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
anscheinend einen Rammbock oder etwas Ähnliches ein. Wie lange hielt das Tor noch stand?
Eine Stimme durchdrang das Geschrei draußen. „Aufmachen! Öffnet um Gottes Willen das Tor!“
Ein Funke stob aus der Hecke auf, flog ins Dach des Stalls. Wittiges war es, als presste ihm eine Faust das Herz zusammen, als gleich darauf eine Feuergarbe aus dem Dachstroh aufschoss.
„Holt die Pferde raus!“
Ein Knecht eilte auf den Stall zu.
„Aufmachen! Wittiges, mach auf!“
Es war Chramms Stimme. Also hatte Wandalenus ihn abgefangen und benutzte ihn als Geisel.
Wittiges stellte sich hinter dem Tor auf, das unter den Stößen ächzte, und zog das Schwert.
In wilder Panik preschten Pferde in den Hof, Wittiges äugte kurz hinüber und sah Odilo, der auskeilte und stieg, als ein Knecht nach seinem Halfter griff. Mit einem schrillen Pfiff lockte Wittiges den Hengst zu sich. Er war fast so gut wie eine scharfe Waffe.
Wieder schrie Chramm. Aber war er das wirklich?
Wittiges lauschte verunsichert.
Es war eine andere Stimme, tiefer, voller.
„Macht auf!“
„Gogo? Dux Gogo?“
Wittiges konnte sich irren.
„Macht endlich auf!“
Gogo musste unmittelbar vor dem Tor stehen. Wittiges trat zurück und wartete einfach, bis das Tor unter den Schlägen barst.
Es war tatsächlich Gogo, der als Erster in den Hof stürmte, das blanke Schwert in der Hand. „Warum hört ihr nicht? Wollt ihr alle verbrennen?“
Überrascht wandte sich Wittiges um. Das Haupthaus brannte.
„Aletha!“ Er ließ das Schwert fallen und rannte in das brennende Haus.
3
Er hielt Brunichild in den Armen, sie schmiegte sich an ihn, ließ ihn nicht mehr los, umklammerte ihn, selbst als er sie von sich wegschieben wollte, weil er sich der Blicke, die sie beobachteten, bewusst blieb.
„Wittiges, o Wittiges, du bist nicht ...“ Sie flüsterte, das Gesicht an seine Brust gepresst. „Ich hätte es nicht ertragen ..., ich hab mir nie vorgestellt, dass es mich so trifft, und dann, als dein Gefolgsmann erschien ...“ Sie rang um Worte, brach ab, setzte neu an, und die Botschaft war doch immer die gleiche: Sie hing an ihm, liebte ihn - auf ihre Weise. Es war ein süßes und zugleich zwiespältiges Gefühl, das ihn durchlief. Auch er spürte die alte Verbundenheit wie ein Echo aus der Vergangenheit aufklingen.
„Ich hätte die Einsamkeit nicht ertragen.“ Sie blickte zu ihm auf, die Augen noch immer von diesem so seltenen tief strahlenden Blau, das ihn vor langer Zeit in Bann geschlagen hatte. Nun war der Bann wieder da. Er strich ihr übers Gesicht, drückte sie an sich, wiegte sie in seinen Armen. Dann, ganz behutsam schob er sie von sich.
„Es ist gut, ich lebe noch.“
Seufzend gab sie ihn frei und wandte sich zu Aletha um.
„Du bist mir nicht böse, dass ich mich einen Augenblick gehen ließ?“ Sie lächelte, und Aletha lächelte ebenfalls, sagte aber mit einem feinen ironischen Unterton: „Wie könnte ich? Er gehört dir. Du weißt es, ich weiß es, so ist das nun mal mit der Gefolgschaftstreue, wenn man sie, was selten genug vorkommt, so ernst nimmt wie er.“
Gogo räusperte sich. „Darf ich dir nun sagen, wie leid mir ...“
„Nein, das darfst du nicht“, unterbrach ihn Wittiges fast barsch. „Erklär mir lieber, wie diese Laus Wandalenus dazu kommt, mein Gut an sich zu reißen, als wäre das völlig in Ordnung. Dafür breche ich ihm das Rückgrat.“
Alle hatten sich retten können, sogar das Vieh war dem Inferno entkommen. Aber sämtliche Gebäude von Theodos Hof waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und mit ihnen die Wintervorräte, die bereits in den Scheunen lagerten. Über dem Hofgelände lag der beißende Gestank nach Verschmortem und Verbranntem, Asche und Ruß bedeckten jeden Fleck wie ein gräuliches Leichentuch. Einer der an der Rückseite angebundenen Hunde war umgekommen. Sein verkohlter Kadaver hing noch am Rest der Leine.
Wittiges hatte zusammen mit Chramm Wachen um die schwelenden Trümmer des Hofs aufgestellt, während Gogo mit dem Rest seiner Krieger Aletha, Viola, die Kinder und Mägde nach casa alba gebracht hatte. Er hatte gehofft, auf Wandalenus zu stoßen und ihn zur Rechenschaft ziehen zu können, hatte ihn aber nicht mehr angetroffen. Wandalenus’ Krieger waren geflohen, sobald sie gemerkt hatten, wer ihnen bei Theodos Hof in die Quere gekommen war, die meisten wohl auf kürzestem Weg nach Metz, aber einige waren nach casa alba geritten, um Wandalenus zu warnen. Vielleicht hatte sie
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