Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Heuchler! Dabei hatte sie im Frühjahr gedacht, diesmal gehe ihm der Verlust wirklich nahe.
„Weißt du, warum deine Söhne gestorben sind?“
Chilperich hob bei ihrem tragischen Ton abwehrbereit die Schultern und wich unbehaglich ihrem Blick aus. „Die Seuche, das wissen wir doch“, murmelte er, sprang auf und eilte zum Fenster. „Kann das nicht aufhören?“ Er deutete hinaus.
Fredegund raffte den Vorhang etwas beiseite und schaute ebenfalls hinaus. „Nicht, bevor sie gestanden haben. Siehst du die Mutter? Sie hat das Mädchen angestiftet, unsere Söhne mit einem Fluch zu belegen. Sie hat die beiden verwünscht, verstehst du? Die Alte ist eine Hexe und die Junge ihre Schülerin. Sie kennen sämtliche alten Zaubersprüche und wenden sie immer noch an. Muss ich dich daran erinnern, wie grauenhaft unsere Söhne gestorben sind? Als Nächste bin ich an der Reihe. Chlodowech will meinen Tod. Er hat es gesagt. Und dann deinen.“
Chilperich bekreuzigte sich hastig, begann ein Gebet zu murmeln, brach ab.
Er krallte eine Hand in den Vorhang. „Das ist lächerlich. Er ist nicht mal hier“, widersprach er. Die vorher ungesund wirkenden tiefroten Flecken auf seinen Wangen waren einer leichenhaften Blässe gewichen. Es war immer noch leicht, ihn bei seinem Aberglauben zu packen. Kaum etwas fürchtete er so sehr wie Zauberei.
„Die Kleine ist schon seit Jahren seine Geliebte. Deshalb kommt sie dir bekannt vor. Verstehst du nun?“ Und dann erzählte sie ihm von Chlodowechs großem Auftritt in Soissons und wie er sich vor seinen Gefolgsleuten praktisch als neuer König hatte feiern lassen. „Frag ihn .“ Sie deutete auf den Mann, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. „Frag ihn, er war dabei. Dein Sohn Chlodowech ist fertig mit uns, mit mir ebenso wie mit dir.“
Unten hatte die Geißelung aufgehört. Aber nun riss ein Mann den Kopf der jungen Frau grob nach hinten, und ein anderer schnitt ihr mit einem scharfen Messer Strähne für Strähne das Haar ab, es war wie eine öffentliche Vergewaltigung. Die Alte schrie und schrie und rang noch immer verzweifelt die Hände, als ein Krieger die Tochter bereits abführte. Fredegund sah genau hin, sah die aufgeplatzte Haut am Rücken, das Blut, die Stoppeln auf dem Kopf, und ein durchaus willkommener Schauder der Befriedigung durchrann sie.
Nun war die Mutter an der Reihe. Wieder waren Schreie zu hören, Fredegund stellte sich innerlich taub. Die beiden bekamen nur, was sie verdient hatten. Sie wusste genug über das Mädchen, schließlich war sie selbst einmal solch eine ehrgeizige, aufreizende Magd gewesen. Sie stellte sich vor, wie sich das Mädchen Hoffnung gemacht hatte, die zukünftige Königin zu werden, und über sie, Fredegund, herzog, als wäre sie ein ranziges Stück altes Fleisch.
„Ich kann das nicht hören!“, rief Chilperich und hielt sich die Ohren zu.
„Sei nicht so verdammt empfindlich!“ Sie trat zu ihm und riss ihm die Hände herunter. „Sie schreit, weil sie schuldig ist. Schau - genau - hin! Sie wird alles gestehen. Glaub mir.“
Das Auspeitschen stockte, die Alte gab schreiend, keuchend und flehend etwas von sich, während ihr Rotz und Tränen übers Gesicht rannen.
„Willst du hören, wie sie gesteht?“, fuhr Fredegund fort. „Dann komm mit nach unten.“
„Nein.“ Chilperich wandte sich vom Fenster ab und deutete auf den Schreiber. „Du da, komm her! Wiederhol, was mein Sohn gesagt hat. In Soissons. Stimmt das? Hat er sich als König feiern lassen?“
Der Schreiber sank auf die Knie und beugte den Kopf bis auf den Boden. „Ja, Herr“, sagte er mit tonloser Stimme.
Noch am gleichen Tag machte sich ein berittener Trupp in Chilperichs Auftrag nach Soissons auf, um Chlodowech unter einem Vorwand nach Chelles zu holen.
Fredegund ließ die Alte nochmals auspeitschen und mit einem glühenden Eisen foltern. Halb verrückt vor Schmerzen, antwortete sie stammelnd und wimmernd auf die Fragen des Folterknechts.
„Hast du mit deiner Tochter Magie betrieben? Habt ihr beide den Söhnen des Königs mit einem Fluch die Seuche angehext? Hat deine Tochter Chlodowech zum Aufstand angestiftet?“
Nach jeder Frage wartete der Mann auf die Antwort, die kaum zu verstehen und dennoch klar und immer die gleiche war. Die Alte bekannte sich schuldig.
Diesmal hatte Fredegund darauf bestanden, dass Chilperich zuhörte, unten im Hof. Der Gestank nach verbranntem menschlichem Fleisch nahm ihnen den Atem, die blutüberströmte halb tote alte
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