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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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geglaubt.
    Abends brach Pontus die Zwischentür zum Vorzimmer mit einer Axt auf. Wittiges regte sich auch dann nicht, als er herantrat, ihm die Hand auf die Schulter legte und auf die Tote hinabschaute.
    „Sie hat es so gewollt“, sagte er ruhig.
    Voller Zorn sprang Wittiges auf und packte ihn hart am Arm. „Was hat sie so gewollt? Mich so zurückzulassen? In dieser ... dieser Dunkelheit ...“ Zum ersten Mal schluchzte er auf.
    „In Ruhe sterben. An deiner Seite, ohne Aufhebens, ohne langen Kampf. Einfach im Schlaf hinübergehen in die andere Welt. Der beste Tod, den sie sich wünschen konnte. Vor einer Woche hat sie bei mir gebeichtet, sie starb völlig im Reinen mit sich. Die Schmerzen wurden wieder stärker, weißt du, sie ließen sich kaum mehr betäuben. Sie hat mir einiges aufgetragen, aber darüber reden wir später. Morgen vielleicht.“
    Sie hatte Schmerzen gehabt und nichts gesagt! Ihm nicht, nur Pontus. Sie hatte gelitten, und er hatte nichts geahnt, sondern sich von ihr hinters Licht führen lassen, noch am letzten Abend. Da hatte sie nur mehr Wein als gewöhnlich getrunken. Wie viel war von dem lindernden Mittel noch übrig gewesen? Hatte sie zu viel auf einmal davon genommen, und wenn ja, absichtlich?
    Wittiges sank wieder auf den Stuhl, beugte sich vor, barg den Kopf in den Armen und weinte. Es war ein hartes, stoßweises Weinen, das wehtat und ihm die Luft nahm. Wie von fern hörte er Pontus Befehle erteilen. Als er sich wieder aufrichtete, weil sich sein Rücken verkrampfte, brannten Kerzen rings um das Bett. Pontus reichte ihm erst eine Tunika zum Überstreifen, dann einen Becher Wein, und gemeinsam begannen sie die Totenwache. Wittiges fühlte einen Schmerz, der wie ein Messer stach, dann nachließ und in Wellen wiederkehrte. Erinnerungen zuckten durch seinen Geist und immer wieder hob das Bewusstsein untilgbarer Schuld und nicht wiedergutzumachender Versäumnisse sein Schlangenhaupt, die größte und gefährlichste Herausforderung jeder tiefen Trauer.
    Auch am nächsten Tag kam er kaum zu sich, er aß nichts, trank nur ein wenig Wasser. Pontus musste alles Nötige regeln oder veranlassen. Wittiges nickte nur, als Pontus vorschlug, eine Gruft in der Kapelle auszuheben. Aletha hatte es sich so gewünscht. Ein Steinmetz aus Reims würde eine Abdeckplatte aus Sandstein anfertigen, geschmückt mit einer liegenden Frauenfigur und einem umlaufenden Spruchband.
    Gogo war noch da und bemühte sich ebenso wie Chramm und Viola, ihn ihr Mitgefühl spüren zu lassen. Das ganze Hauswesen versank in Trauer. Es gab niemanden, der den Verlust nicht spürte. Irgendwo weinte ein Kind und schrie nach seiner Mutter. Einmal sah Wittiges Pontus mit Agnes auf dem Arm, die sich an ihn schmiegte. Als er sie Pontus abnehmen wollte, trat sie nach ihm. Als Ulf kam und ihm bleich und stockend vorschlug, mit ihm auszureiten, willigte er ein. Stundenlang ritten sie durch die Felder, auf denen die Saat hoch aufgeschossen war, zeitweilig in einem wilden Galopp. Ulf sagte die ganze Zeit nichts, und Wittiges wusste nicht, ob er seine Gesellschaft als tröstlich oder als zusätzliche Belastung empfand.
    Zwei Wochen nachdem sie Aletha beigesetzt hatten, wurden Wittiges von einem Diener Besucher gemeldet, die in der Einganghalle auf ihn warteten, das hieß, sie waren nicht über den Stallhof gekommen, mussten also Fremde sein. Den einen erkannte Wittiges sofort, es war der Höhlenheilige, so schmutzig und stinkend, wie er ihn in Erinnerung hatte, mit dem gleichen fanatischen Glühen in den Augen. Der zweite war eine hochgewachsene, aber klapperdürre Jammergestalt mit grau meliertem Haar und der dritte ein Halbwüchsiger mit einem seltsam alten Blick.
    Wittiges deutete auf den Heiligen. „Verschwinde, ich will dich nicht im Haus haben.“
    „Wittiges, Wittiges! Er hat uns hergebracht. Ohne ihn ...“ Die hohe Stimme klang brüchig, und doch weckte sie Erinnerungen, ja sie stürmten auf Wittiges mit solcher Macht ein, dass er zwei Schritte zurückwich.
    „Alexander?“
    Hinter sich bemerkte er eine Bewegung, und dann schob sich Viola neben ihn.
    „Felix!“, flüsterte sie außer sich.
    „Felix ist tot“, sagte Wittiges bestimmt.
    Der Junge löste sich von der Seite des hochgewachsenen Mannes, schluchzte rau und trocken auf und stolperte auf Wittiges zu, die Arme nach ihm ausgestreckt.
    „Es ist nicht Felix“, sagte Wittiges beharrlich.
    5
    Von draußen drangen Schreie und das satte Klatschen einer Peitsche herein.

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