Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
Vom Netzwerk:
Fredegund stand im Obergeschoss am Fenster, hielt sich aber halb hinter den Vorhängen verborgen. So konnte sie alles beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Unten im Hof kniete Chlodowechs Hure auf den Pflastersteinen, Obergewand und Hemd bis zum Gürtel heruntergerissen, damit die Peitsche die nackte Haut traf.
    Es war ein genialer Einfall gewesen, das Mädchen mit der Alten, seiner Mutter, die am Rand kniete, niedergehalten von zwei Kriegern, unter einem Vorwand hierher nach Chelles zu locken. Aus irgendwelchen Gründen liebte Chilperich den Hof in Chelles, um den sich allmählich ein Dorf entwickelte. Der Vorteil für Fredegund lag in der Übersichtlichkeit. Der gesamte Hof ließ sich leicht überwachen. Hier gelangte niemand ungesehen herein oder hinaus. Das Anwesen lag in einer Biegung der Marne, die hier einige Inseln umfloss. Bis Paris waren es nicht mehr als fünfzehn Meilen, sodass von dort über die Marne, die in die Seine mündete, ohne allzu viel Mühe Baumaterial herangeschafft werden konnte. Die Reise hierher ließ sich auch über den Fluss zurücklegen.
    Jetzt kam es darauf an, dass auch Chlodowech hier auftauchte. 
    Leider hatte er sich nicht mit der Krankheit angesteckt, als er die Leichen seiner jüngeren Brüder von Berny-Rivière nach Soissons gebracht hatte, wo sie vorläufig in einfachen Steinsärgen bestattet waren. Warum hatte er sich überhaupt bereit erklärt, mitten in das verseuchte Gebiet zu reisen? Wollte er sich vergewissern, dass seine Brüder tatsächlich durch eine Krankheit und kein Attentat umgekommen waren? Wahrscheinlich. Und sicher hielt er sich nun für unsterblich, weil er erfolgreich der Ansteckung getrotzt hatte. Jedenfalls hatte er so viel Oberwasser erhalten, dass er sich öffentlich damit gebrüstet hatte, der zukünftige König von ganz Neustrien zu sein. Es musste eine Art Siegesfeier gewesen sein, bei der man hätte glauben können, dass Chilperich so gut wie tot war. Genau so wollte Fredegund Chilperich die Geschichte erzählen. Er sollte begreifen, dass sein Sohn im Begriff stand, sich gegen ihn zu erheben.
    Der Mann, der ihr von Chlodowechs Treiben berichtet hatte und mit dem sie gerade ein langes klärendes Gespräch geführt hatte, diente ihr schon eine ganze Weile als zuverlässiger Spion, dessen blasses Schreibergesicht die beste Tarnung darstellte. Er hatte sofort verstanden, was sie von ihm erwartete, fuhr aber mit dem Gehabe eines nervösen Jagdhunds auf, als von draußen Schritte zu hören waren. Gleich darauf flog die Tür auf.
    „Was soll das da draußen?“, grollte Chilperich. Fredegund hatte ihn hergebeten. „Hab ich die Kleine nicht schon mal gesehen? Warum wird sie ausgepeitscht? Jemand sagte, du hast das veranlasst.“
    Aus Trauer um ihre toten Söhne trug Fredegund immer noch Schwarz, zumindest heute wieder. Sie hatte damit gerechnet, dass Chilperich eins dieser schreiend bunten, mit Perlen bestickten Gewänder trug, die er so sehr liebte. Nun zog sie den schwarzen Schleier tiefer in die Stirn, um das Bild einer verhärmten, ganz in Trauer verharrenden Frau zu vervollkommnen. Chilperich schluckte bei ihrem Anblick und ließ sich schwer auf den Stuhl sinken, den Fredegunds Gefolgsmann, ganz serviler Schreibstubenhengst, eilig für ihn zurechtrückte.
    Fredegund blieb am Fenster stehen.
    „Sind die Spiele in Paris vorbei?“, fragte sie mit tragisch verhangener Stimme. „Ich habe dich frühestens morgen erwartet. Da wäre dir dies“ - sie deutete nach draußen - „erspart geblieben.“
    Chilperich schnaubte verächtlich. „Erspar mir dein Getue, denk daran, ich kenne dich, ich weiß genau, was du mit deinem Aufzug bezweckst. Um was geht es? Warum soll ich ein schlechtes Gewissen haben? Wegen der Spiele?“ Er machte eine wegwerfende Geste. „Das ist bloß Augenwischerei für Brunichilds Kundschafter.“
    Fredegund schossen Tränen in die Augen. Ihre Söhne waren erst einige Monate tot, und der Vater ...  der Vater vergnügte sich bei Wagenrennen, Tierhatzen und ähnlichem billigen Klamauk! Von wegen bloße Augenwischerei für Spione. Er genoss es! Auftritte hatte er schon immer genossen. Hass wallte in ihr auf.
    Du sollst leiden, dachte sie, du sollst so leiden, wie ich es immer noch tue. Sicher, er hatte getrauert, und wie er getrauert hatte! Zehn ganze Tage, dann hatte er von einem auf den anderen Tag die Trauer abgelegt, sich neue Gewänder anfertigen lassen und auf die Spiele gestürzt.
    Der Heuchler, der gottverdammte, elende

Weitere Kostenlose Bücher