Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
geschickt, um dort registriert und aufbewahrt zu werden.“ Er legte eine Pause ein. „Werdet ihr es schaffen, euch wie Brüder zu verhalten?“, fügte er leise hinzu.
Ulf wagte nicht, als Erster zu antworten. Fragend schaute er zu Felix.
„Wenn du es wünschst, bestimmt“, sagte Felix. Die Spannung, die sich nach dieser hintersinnigen Antwort ausbreitete, war mit Händen zu greifen.
Wittiges winkte Agnes zu sich und ging vor ihr in die Hocke. „Du hast jetzt zwei Brüder, Liebes, Felix und Ulf.“
„Das hat Papa auch gesagt“, antwortete die Kleine und schielte zu Pontus hinauf.
Wittiges zuckte zusammen. Zum einen weil Agnes ihn immer noch nicht als Vater akzeptierte, zum anderen, weil er sich hätte denken können, dass Pontus seine eigenen Maßnahmen ergriffen hatte, um die Familie zusammenzuführen.
„Dann kümmere dich um die beiden, hörst du? Das ist nun deine Aufgabe.“ Wittiges erhob sich und sah zweifelnd auf seine kleine Tochter hinunter.
Agnes blickte von einem Jungen zum anderen. Auf einmal nahm Felix sie bei der Hand. Wittiges hatte sie einmal beobachtet, wie sie nach Felix getreten hatte, als er sich ihr zu nähern versuchte. Nun kniff sie die Augen zu, hielt den Atem an, stieß ihn mit einem tiefen Seufzer wieder aus und blickte zu ihrem Bruder auf.
„Wo ist Mama, Felix?“
„Sollen wir sie besuchen?“
„Ja!“
„Dann komm mit.“
Die beiden gingen zur Tür. Auf der Schwelle drehte sich Agnes um und winkte Ulf an ihre andere Seite. Zögernd setzte er sich in Bewegung, bis sie ihn energisch an die Hand nahm. Zu dritt verließen sie den Raum.
„Ob das gut geht?“, murmelte Wittiges.
„Aber sicher“, sagte Viola heiter und brach damit den Bann. Im gleichen Augenblick begann das Kind auf ihrem Schoß zu schreien. Es war wohl doch der Junge, der sich zu einem kleinen Schreihals entwickelt hatte. Ansonsten fiel es Wittiges schwer, die Säuglinge auseinanderzuhalten.
„Wohin sind sie gegangen?“, fragte Chramm laut, um das Gebrüll zu übertönen.
„Zur Kapelle, wohin sonst?“, brummte Pontus und tauchte einen Gänsekiel ins Tintenfass, um seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen, das er bereits vorher durchgelesen und voll und ganz gebilligt hatte. Wittiges machte keinen Unterschied zwischen seinen Söhnen.
Irgendwann im Lauf des Sommers begriff Wittiges, dass Felix nie wieder der unbeschwerte, vertrauensvolle Junge sein würde, der er einmal gewesen war. Er blieb seltsam verschlossen, zeigte sich aber nicht unfreundlich, und vor allem trat nicht ein, was er, Wittiges, am meisten befürchtet hatte: Aus den Jungen wurden keine Rivalen. Im Gegenteil.
Wenn man beide nicht finden konnte, musste man davon ausgehen, dass sie sich gemeinsam davongemacht hatten, auf die Jagd oder einen langen Ausritt, was Pontus manchmal dazu veranlasste, sie hinterher gehörig auszuschimpfen. Zwar war Ulf der Größere und Stärkere, aber als sich Felix erst einmal von seinen Entbehrungen erholt hatte, zeigte sich, dass aus ihm ein gewandter Kämpfer mit größerer Körperkraft geworden war, als es den Anschein hatte. Allmählich ergab sich für Wittiges aus vielen kleinen Bemerkungen ein Bild der Jahre in Gefangenschaft. Leudemund hatte Felix auf seine zukünftige Aufgabe vorbereitet und ihn einem harten körperlichen Training unterworfen, denn ein König musste immer auch ein Kämpfer sein. König würde er nur so lange bleiben, wie er siegte. Nur einmal erzählte er von Cnivas Ende, und Wittiges verwünschte einmal mehr die ganze burgundische Verschwörung. Danach war von dem alten General nie mehr die Rede.
Später sollte er sich an diesen Sommer immer mit einer gewissen Wehmut erinnern. Es war ein zauberhafter Sommer mit Wolkenbrüchen und heißen Tagen, aber die Unwetter richteten nur geringen Schaden an, und wenn die Luft vor Hitze flimmerte, verbrachte er mit der ganzen Familie Stunden am Bach, an einer Stelle mit sandigem Ufer, wo die Mägde Decken ausgebreitet hatten. Körbe mit einem Imbiss warteten im Schatten unter dem Weidengebüsch auf hungrige Mäuler. Wittiges warf sich ins quirlige, hüfthohe Wasser, zusammen mit Ulf und Felix. Manchmal war sogar Agnes dabei und tauchte kreischend und strampelnd nacheinander ihre großen Brüder unter, was sie sich gutwillig gefallen ließen, während immer einer darauf achtete, dass ihr Köpfchen über der Wasserlinie blieb. Agnes spielte die Brüder gern gegeneinander aus, das machte sie ebenso mutwillig wie gekonnt, und manchmal
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