Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
überkam Wittiges der Wunsch, ihr dafür den Hintern zu versohlen. Er selbst wartete darauf, dass die Rivalität zwischen den Jungen, die unterschwellig inzwischen durchaus spürbar war, offen ausbrach. Aber anscheinend war genügend von der ursprünglichen Verbundenheit geblieben, und die alte Freundschaft behielt die Oberhand. Die Jungen gingen vorsichtig miteinander um, nur im Wasser rauften sie unter dem Vorwand des Übermuts manchmal etwas zu erbittert.
Zu einem besonderen Erlebnis entwickelte sich die Planscherei jedesmal, wenn sich Viola dazugesellte, mit Ammen und Säuglingen im Schlepptau. Seelenruhig zog sie sich vor aller Augen aus und stieg in einem dünnen Hemd ins Wasser. Nicht nur die Jungen betrachteten mit eindeutigem Interesse die herrlichen Formen, die sich unter dem nassen Stoff nur allzu deutlich abzeichneten. Viola stillte nicht, aber ihre Brüste waren so voll und rund, dass Wittiges sich neidvoll fragte, ob Chramm, dieser glückliche Esel, manchmal an den vorwitzig aufgereckten Brustwarzen saugte, und dann musste er auf der Suche nach Abkühlung tiefer ins Wasser eintauchen. Viola schien von der Verwirrung, die sie stiftete, nichts zu bemerken. Wittiges erinnerte sich, dass Prüderie noch nie ihre Sache gewesen war.
Chramm war nie dabei, ihm war das Baden draußen zu albern und die Luft zu heiß. Er blieb lieber im kühlen Kontor und kümmerte sich um Abrechnungen, Bestellungen und Lieferungen von Rohmaterial, das immer öfter verspätet eintraf.
Unter Violas Leitung gedieh die Werkstatt, casa alba lieferte Wollstoffe und Filz an Händler in Reims, Metz, Marseille und anderswo und konnte die ständig steigende Nachfrage kaum befriedigen. Das größte Problem, das auch den Wiederaufbau von Theodos Hof beträchtlich verzögerte, war der Mangel an Helfern. Es gab kaum arbeitsfähige Männer und Frauen, nirgendwo, das war der große Fluch des ganzen Landes.
Nicht allein deshalb, weil jede nützliche Hand willkommen war, zeigte sich Wittiges sehr damit einverstanden, dass Viola mit ihrer kleinen Familie immer noch bei ihm wohnte. Es war ihm auch eine Freude zu beobachten, wie prächtig sich die beiden Säuglinge entwickelten. Mittlerweile waren sie auch für ihn unterscheidbar. Das Kind mit der röteren Haut, das hässlichere der beiden, war der Junge. Das Mädchen hatte einen milchweißen Teint und niedliche Grübchen in den Wangen, wenn es lächelte. Chramm war vernarrt in beide, zog aber dennoch den Jungen vor.
Wittiges liebte es, so viel junges Leben um sich herum gedeihen zu sehen. Darüber vergaß er ab und zu die Trauer, ja, es gab Momente vollkommenen, trägen Sommerglücks, kostbarer als der wertvollste Edelstein. Er hatte zurückgefunden zu jener inneren Ruhe und Kraft, die ihm am Grab des heiligen Martin in Tours so unverhofft zuteil geworden war. Allmählich kam er sich wie ein Patriarch vor.
Allerdings hatte er erstmals zwei Monate nach Alethas Tod den Eindruck, dass Chramm eifersüchtig war. Es war nur eine flüchtige Eingebung, die aber im Lauf des Sommers deutlicher wurde. Daher hütete er sich, mehr als unbedingt nötig mit Viola zu sprechen, und war so gut wie nie allein mit ihr. Daher war er auch nicht sonderlich glücklich, als sie ihn gegen Ende des Sommers - die Schatten wurden am späten Nachmittag bereits lang - um eine Unterredung bat, sofort in den kleineren der beiden eigentlichen Wohn- und Repräsentierhöfe vorausging, sich auf die Marmorbank an der Hauswand setzte und auf den Platz neben sich klopfte. Sie waren allein. Wittiges blieb stehen und fühlte sich äußerst unbehaglich. Vielleicht lag es am Licht, an den weichen Schatten, den die Rosen- und Fliederbüsche im Hof warfen, dem Duft, dem leisen Plätschern des Brunnens, dass die Atmosphäre um sie herum etwas verführerisch Intimes annahm. In Wittiges läuteten alle Warnglocken.
„Was gibt es?“, fragte er betont kühl.
„Du hast Nachrichten erhalten, nicht wahr? Von Gogo“, antwortete Viola und lächelte, als amüsiere sie sich insgeheim über sein vorsichtiges Verhalten.
„Das weißt du doch“, entgegnete er unwillig. „In einer Woche, wenn Chilperich Bertho zu seinem Erben erklärt, muss ich in Reims sein. Gogo will mich dabei haben. Als Zeugen, zum Schutz des Thronfolgers oder wozu auch immer.“
Viola seufzte leise und beugte sich wie absichtslos ein wenig vor. Beim unerwartet tiefen Einblick in ihr verführerisches Dekolleté hielt Wittiges den Atem an. Jetzt meinte er auch, Violas Duft
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