Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
gesehen hatte, war dieser im Gewühl verschwunden. Als Wittiges sich nach ihm erkundigte, hieß es, Gogo habe das Fest bereits verlassen. Jetzt machte er sich wirklich Sorgen um ihn.
Am nächsten Tag, als er sich nach ihm erkundigte, erfuhr er, dass Gogo nach Metz zurückgekehrt war.
Wittiges blieb noch einige Tage in Reims und widmete sich seinen Geschäften. Nach und nach reisten die Festgäste ab, die Residenz versank in der Bedeutungslosigkeit jener Zeiten, wenn niemand Wichtiges mehr da war. Aber weil es für ihn das Bequemste war, wohnte er weiterhin in seinem Quartier im Palast.
Als er eines Morgens auf dem Weg zu den Ställen hastig die Eingangshalle durchquerte, sprach ihn jemand an. Es war Samur. An den Awaren hatte er schon lange nicht mehr gedacht, aber sein Anblick versetzte ihm sofort einen unangenehmen Stich.
„Hab schon gehört, dass es dich noch gibt“, begrüßte ihn Samur. Wittiges nickte und wollte weitergehen, aber der Aware trat ihm in den Weg. Wittiges schielte zum Ausgang.
„Falls du dich entschuldigen willst, weil du dir die blauen Pferde einfach geholt hast: Du kannst sie behalten, ich lege keinen Wert mehr darauf“, sagte er barsch.
Samur bewegte sich nicht von der Stelle, er hätte um ihn herumgehen müssen, um zur Tür zu gelangen. Die Züge des Awaren waren hagerer geworden, und der Blick aus den dunklen Augen wirkte undurchdringlicher als früher.
„Aber sie gehören dir, selbstverständlich bringe ich sie zurück.“
Wittiges rückte näher an ihn heran. „Wenn du das tust, schlachte ich sie auf der Stelle ab, lass dir das gesagt sein!“ Die Drohung war natürlich schierer Blödsinn, klang aber beleidigend, und das hatte er gewollt.
Samur grinste nur und wich zurück. „Ich hab gehört, deine Frau ist gestorben. Ich erinnere mich an sie. Sie war ...“
Wittiges hatte genug von der Unterhaltung. Er stieß Samur vor die Brust, sodass dieser zurücktaumelte, und ging zur Tür.
Bevor er eine Woche später nach casa alba zurückkehrte, hatte er alles an Korn aufgekauft, was er bekommen konnte, dazu Säcke voll getrockneter Erbsen, Bohnen und Hirse. Er kaufte zu jedem Preis, und die Preise waren gesalzen. Salz kaufte er auch, dazu andere Gewürze und Vorräte an Wachs, Wolle und Flachs. Er gab Unsummen aus, konnte es sich aber dank Guntrams Geschenken leisten, zu denen auch mehrere Beutel mit Gold solidi gehört hatten. Mit den Händlern schloss er neue Freundschaftspakte.
Nach seiner Heimkehr setzte er Pontus über seine Einkäufe in Kenntnis und befahl ihm, die Keller für die Vorräte auszubauen, eine neue Scheune zu errichten und sie gut gegen Räuber zu sichern.
„Nicht, dass ich etwas gegen Vorräte einzuwenden habe“, erklärte Pontus daraufhin. „Aber was soll diese Vorsicht? Wenn ich dich richtig verstanden habe, herrscht jetzt zwischen Neustrien und Austrasien Freundschaft. Dank dieses Lümmels Bertho, der einmal alles erben wird. Also, was ficht dich an?“
Wenn ich’s bloß wüsste, dachte Wittiges. Aber seit er an jenem Festmahl teilgenommen hatte, hatte ihn eine unbestimmte Furcht beschlichen, die ihn nicht mehr losließ. Brunichild, dessen war er sich sicher, hatte sie auch gespürt.
Aber das Jahr ging zu Ende, ohne das etwas Dramatisches geschah, sah man davon ab, dass einer der Höfe im Mühlendorf abbrannte. Es gab keine beunruhigenden Neuigkeiten vom Hof in Metz. Deshalb brach Wittiges im Frühjahr auf eine Einkaufsfahrt in den Süden auf. Er besuchte die Händler in Marseille und machte auf der Rückreise in Chalon Station, um dem jüdischen Arzt Samuel dafür zu danken, dass er sich entgegen seiner ursprünglichen Absicht doch noch nach casa alba begeben hatte, um Aletha zu untersuchen und ihr ein Mittel gegen die Schmerzen dazulassen. Der nüchterne und kühle Samuel war seltsam gerührt über so viel Dankbarkeit und zeigte offen seine Anteilnahme, als ihm Wittiges von Alethas Tod erzählt. Samuel war es auch, der den Händler Nikomedes veranlasste, sich versöhnlich zu zeigen und den nächtlichen Überfall ein für alle Mal zu vergessen. Wittiges nahm die Gelegenheit wahr, die neue Freundschaft durch ein Geschäft zu krönen. Beim unvermeidlichen Mahl danach versetzte ihm Nikomedes allerdings mit einer beiläufigen Bemerkung einen furchtbaren Schlag.
Nikomedes wusste aus sicherer Quelle, das dux Gogo gestorben war.
Wittiges fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Gogo tot!
Dann erinnerte er sich an das letzte Mal, als er ihn gesehen
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