Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Freilassung nicht früher erwirken konnte.“ Unerwartet lächelte sie. „Aber ich habe es bei meiner Heimkehr sofort veranlasst. Auch die Einziehung deiner Güter ist rückgängig gemacht worden. Es ist alles wieder in Ordnung. Von Wandalenus hast du nichts mehr zu befürchten.“
„So?“, brummte er nur.
„Ja“, antwortete sie munter. „Sein Stern sinkt. Du kennst unsere Wendehälse so gut wie ich. Auf einmal wollen alle schon immer gegen den Krieg und für eine Allianz mit Guntram gewesen sein. Das müssen wir ausnutzen. Ich ernenne dich zum Botschafter. Du reist als Unterhändler nach Chalon. Und bitte, nimm Kontakt zu Lupus auf. Wir brauchen ihn hier. Die Verhältnisse ändern sich.“ Versonnen betrachtete sie Sigiberts Handgelenksring, den sie als Glücksbringer stets bei sich trug, seit sie das Volk für sich gewonnen hatte. Auch Chilperichs Ansehen hatte gelitten, das war ein weiteres Ergebnis des Volksaufstands. Sein Ruf als starker Mann und vorausschauender Lenker hatte sich als unbegründet erwiesen, die Kriegshetze war auch ihm übel genommen worden. Daher hatte Brunichild im Geheimen Verbindung zu einigen seiner wichtigen Anhänger aufnehmen können. Ohne dass er es ahnte, entwickelte sich eine starke Opposition an seinem eigenen Hof. Eigentlich hatte sie das Wittiges erläutern wollen, aber da er seiner Miene und Haltung nach in seinem Groll verharrte, verschob sie das auf eine andere, bessere Gelegenheit.
„Ich soll nach Chalon reisen? Das sagt mir zu, ich habe meine Familie dorthingeschickt. Vielleicht leben meine Kinder ja noch“, sagte Wittiges mit schlecht verhohlener Bitterkeit.
Das also war’s: Wittiges machte sich Sorgen um seine Angehörigen. Das konnte sie verstehen, denn sie hatte ähnliche Sorgen. Es gab schlechte Nachrichten aus Toledo. Ihre Tochter Ingund hatte ihren Gatten Hermenegild überredet, zum katholischen Glauben überzutreten. So löblich dies in den Augen des Papstes sein mochte, damit hatte sich Hermenegild von seinem Vater, König Leovigild, losgesagt. Ingund und ihr Mann wurden seit Monaten in ihrer Residenzstadt Sevilla von Leovigilds Truppen belagert. Hermenegild hoffte, seine Frau und seinen kleinen Sohn aus der belagerten Stadt hinauszubringen und unter den Schutz von Ostrom stellen zu können. Ostrom beherrschte immer noch den Süden Spaniens. Aber würde der Plan gelingen? Brunichild dachte beinahe täglich daran und an diesen Enkel, der vielleicht nicht mehr lange zu leben hatte. Er hieß Athanagild wie ihr eigener Vater.
„Weißt du, dass ich einen Enkel habe?“, fragte sie, und dann erzählte sie von Ingund und dem ganzen Schlamassel, den sie verursacht hatte, weil sie ihren Glauben so wichtig nahm.
„Was hast du erwartet?“, fragte Wittiges wenig mitfühlend. „Du hast ein Kind von elf Jahren nach Spanien verkauft. Mein Gott! Wie alt ist sie nun? Vierzehn?“
„Fünfzehn!“
„Immer noch ein halbes Kind. Und auch schon Mutter.“
Brunichild schenkte es sich, darauf hinzuweisen, dass sie auch erst sechzehn gewesen war, als man ihr die Ehe mit Sigibert befohlen hatte.
„Bitte! Keine Vorwürfe mehr! Wann wirst du nach Chalon abreisen?“
„Gestern, wenn du gestattest“, antwortete Wittiges unverbesserlich schlecht gelaunt. „Und vorher schau ich noch kurz nach, was mir Wandalenus auf casa alba übrig gelassen hat. Darf ich dich daran erinnern, dass er bereits einmal über mein Gut hergefallen ist und mir keinen Schadensersatz geleistet hat?“
„Wenn sich Wandalenus wieder uneinsichtig zeigt, komme ich für alle Schäden und Verluste auf“, sagte sie schnell, um ihn endlich zu besänftigen.
„Nein“, widersprach er.
„Was willst du dann?“, fuhr sie ihn an. „Gib mir einen Rat, wie ich deine Stimmung heben kann. Dein Selbstmitleid wird nämlich langsam unerträglich, selbst für mich, die ich deine Launen gewöhnt bin.“
Er blieb stur, runzelte nur die Brauen und betrachtete sie gekränkt, offensichtlich nicht zum Einlenken bereit.
„Also was? Bitte erlöse mich, ich flehe dich an, teile mir deine Wünsche mit“, fügte sie gemäßigter, aber leicht ironisch hinzu.
„Wenn du deine alte Macht zurück hast, kannst du es sicher bewerkstelligen, dass Chramm und Viola heimkehren.“
Sie brauchte eine Weile, um zu verstehen. Darum ging es ihm also. Um eine Frau! Warum war sie nicht früher darauf gekommen? Was sollte bei ihm anders sein als bei anderen Männern?
„Ah, die schöne Viola“, sagte sie anzüglich. „Wie
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