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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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an einen Überfall. Hatte Kursich sie hergelockt, um sie in Abwesenheit des Kaghans abschlachten zu lassen? Sicher waren nicht alle Awaren damit einverstanden, überhaupt irgendwelche Verhandlungen mit den Franken zu führen.
    Venantius hatte etwas gerufen. Eine Warnung? Wittiges griff zum Schwert und zog mit der anderen Hand den Scramasax. Das Pferd lenkte er nur noch mit den Schenkeln.
     Durch eine Lücke im Gebüsch leuchtete etwas Weißes auf. Mit einem Schenkeldruck und tief über den Pferdehals gebeugt, lenkte Wittiges Bautos stämmigen Körper durch das dichte Gestrüpp und erreichte eine winzige Lichtung.
    Das Mädchen lag halb auf der Seite, einen Arm von sich gestreckt, die geöffnete Handfläche Wittiges zugekehrt. Das Blut war in den laubbedeckten Boden gesickert. Blut aus der klaffenden Wunde, die ein Säbelhieb oder ein besonders scharfes Messer in den Hals geschlagen hatte. Es schien, als habe sich die Frau nicht gewehrt, sie sah aus, als schlafe sie. Wittiges blieb nicht viel Zeit, sie zu betrachten, er sah nur die bunten Zöpfe, die ihm bestens vertraut waren. Kaum konnte er einen Blick auf das schmale, nun schneeweiße Gesicht werfen, als sich Kursich zu ihm vordrängte und ihm in die Zügel griff.
    „Wir kehren um“, raunzte er, „sofort!“ Er drückte seinem Pferd die Steigbügel in die Flanken und zwang es in eine Drehung, die Bauto derartig in Bedrängnis brachte, dass er nach hinten ausweichen musste.
    „Aber ...“, Wittiges war drauf und dran, sich aus dem Sattel zu schwingen. Bauto wieherte beunruhigt und tänzelte auf der Stelle, denn er roch Blut und Tod und erfasste die Verwirrung seines Herrn. Wittiges hatte das Gefühl, als wäre sein Verstand in Eiswasser getaucht, und weigerte sich zu glauben, was er gesehen hatte. Das dumpfe Pochen im Schädel setzte wieder ein. Venantius’ Gaul schob sich neben ihn, und alle drei Pferde gerieten sich schwer ins Gehege.
    „Zurück!“, knurrte Kursich noch einmal. Bauto hatte sich vollends gedreht, das Pferd des Awaren drängte von hinten, und so konnte Wittiges den Rückzug nicht verhindern, selbst wenn er gewollt hätte. Hilflos und wie betäubt saß er im Sattel und versuchte zu verstehen, was sich nicht verstehen ließ. Als sich der Pfad ein wenig verbreiterte, hielt er Bauto an.
    „Ich kehre um“, sagte er dumpf.
    „Das ist nicht deine Angelegenheit“, erwiderte Kursich scharf. „Ihr reitet weiter, verschwindet.“
    Wittiges war drauf und dran, sich an ihm vorbeizudrängen, aber da meldete sich Venantius.
    „Du kannst nichts mehr für sie tun. Komm, reiten wir zum Lager zurück“, sagte er leise.
    Ein so furchtbares Grauen überkam Wittiges, dass er sich kaum noch aufrecht im Sattel halten konnte. Daher ließ er es geschehen, dass Venantius die Führung übernahm. Kursich folgte dichtauf und schien um jeden Preis verhindern zu wollen, dass er sich widersetzte. So blieb ihm nichts übrig, als den Rückweg fortzusetzen. Kaum waren sie in Sichtweite des Lagers, kam ihnen eine Horde Awaren entgegen. Jeder der Männer hatte die Hand an der Waffe, und allein Kursichs beschwichtigendem Ausruf war es anscheinend zu verdanken, dass sie nicht über Wittiges herfielen.
    Etwas war grundlegend falsch gelaufen. Wittiges verstand überhaupt nichts mehr, außer dass er sich langsam und schmerzhaft der Tatsache stellte, dass das Mädchen, mit dem er die Liebesnacht seines Lebens verbracht hatte, getötet worden war. Seinetwegen, davon war er nun fest überzeugt.
    „So ist das bei den Awaren“, erklärte Venantius, nachdem sie ihre Unterkunft aufgesucht hatten. „Für eine Frau, die ihre Ehre verloren hat, gibt es keine Vergebung. Eigentlich hättest du das wissen müssen, ohne dass man es dir eigens sagte. Bei uns ist es doch auch nicht anders.“
    Wittiges hatte den Kopf auf die Knie gelegt und war nicht in der Lage, etwas zu entgegnen.
    Das Mädchen war noch Jungfrau gewesen, endlich wurde ihm das klar. Warum hatte sie sich nicht gewehrt? Sie war doch einverstanden gewesen, dass er sie nahm. Natürlich hätte sie gehen können, wenn sie gewollt hätte. Hätte er sie wirklich gehen lassen? Mühlradartig drehten sich dieselben Gedanken in seinem Hirn, und jedesmal stieg die Erinnerung an eine überwältigende Leidenschaft in ihm auf, an einen schönen, geschmeidigen Körper, der sich ihm eine Nacht lang so willig ihm hingegeben hatte. Und mit jeder Wiederholung legte sich eine größere Schuld auf seine Seele, denn am Ende hatte Wittiges immer

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