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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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dasselbe Bild vor Augen: das einer schönen jungen Frau, der man die Kehle durchgeschnitten hatte.
    Jetzt wusste er, warum die Awaren im ganzen Westen als blutrünstige Barbaren verschrien waren.
    Er verbrachte zwei Tage in völliger Benommenheit, er fastete und nahm nur Wasser zu sich. Ein Bote aus Passau traf ein, und in einem vertraulichen Schreiben wurde ihm mitgeteilt, dass die Geisel, der Sohn des Kaghans, entflohen sei. Es gab keinen Schutz mehr für Wittiges und seine Franken, keine Garantie, dass sie jemals Passau oder ihre Heimat sicher wieder erreichen würden. Aber das war ihm vollkommen gleichgültig. Er verharrte in der Betäubung, in die ihn der gewaltsame Tod der Awarin geschleudert hatte. Wenn er doch wenigstens ihren Namen wüsste! Aber wen sollte er jetzt noch danach fragen? Und Venantius gegenüber wollte er nicht zugeben, was dieser Tod für ihn bedeutete.
    Kursich ließ sich nicht mehr bei ihnen blicken.
    Am dritten Tag kehrte Baian zurück.
    Wittiges rang noch mit sich, ob er ihn offen auf das tote Mädchen ansprechen sollte, da suchte ihn einer der Gefolgsmänner auf und überbrachte eine Einladung zu einem Begräbnis. Eine Angehörige des Kaghans war überraschend gestorben. Und bis das Begräbnis vorüber war, sollten alle Verhandlungen aufgeschoben werden.
    Den ganzen Tag über war Gehämmer zu hören, aber erst am späten Nachmittag wurden Wittiges, Venantius und die übrigen Franken zu den Feierlichkeiten gebeten. Ein Stück Wald war gerodet worden. Auf der Mitte der entstandenen Lichtung erhob sich ein frisch errichteter kleiner Holzbau, dessen Balken und Bretter einen durchdringenden Harzgeruch verströmten. Rings um das Gebäude waren drei große Gruben ausgehoben worden.
    Die Tote lag in einem offenen Baumsarg, eng in Tücher gewickelt. Aus jenen, die den Kopf umhüllten, schlängelte sich ein einzelner dünner, glänzend schwarzer Zopf, durchflochten von einem bunten Band. Größe und Gestalt der Toten verrieten Wittiges bereits hinreichend, wer sie war. Auch in der fränkischen Königsfamilie galt die Sitte, dass jedem Angehörigen, gleichgültig, ob er in Ungnade gefallen oder Straftaten begangen hatte – selbst Mord, Totschlag und Verrat fielen nicht ins Gewicht -, ein Begräbnis zustand, das seinem Rang angemessen war. Die Awaren schienen es ähnlich zu halten, und sicher wussten die wenigsten, wie und warum die junge Frau gestorben war.
    Baian selbst legte ihr große gelochte Goldmünzen auf die Brust, Frauen kamen mit einer Kunkel, einem verzierten Messer, Zopfspangen und einigen Ketten aus Silber und mit Schmucksteinen, die sie der Toten beigaben. Wittiges umklammerte die Fibel und rang mit sich, ob er aufstehen und sie der Toten in den Sarg legen sollte. Aber dazu konnte er sich nicht überwinden -, er brauchte die Fibel als Andenken. Sobald der Sarg geschlossen war, setzte ein Klagegesang ein, begleitet von Trommeln und hohen Pfeiftönen, und jeder Laut zerrte an Wittiges Nerven. Dumpf und in sich gekehrt, wohnte er de fremden Zeremonie bei.
    Nachdem der Sarg schließlich in die Grube unter dem hölzernen Dach gesenkt worden war, folgten ihm Krüge, in denen Wittiges Essbares vermutete. So ähnlich hatten die Franken ihre Toten bestattet, bevor sie Christen wurden. Eine seltsame Übereinstimmung. Inzwischen führten Männer zwei ungesattelte Pferde am Halfter heran und lenkten sie vor die großen Gruben.
    Venantius, der alles mit seinem üblichen, leidenschaftslosen Interesse verfolgt hatte, stieß Wittiges in die Seite. „Pferdeopfer! Das hätte ich nicht erwartet. Nun ja, wenn die Verstorbene mit dem Kaghan verwandt war ...“
    Hatte Venantius begriffen, dass die Tote diejenige war, die sie im Wald entdeckt hatten? Wittiges bezweifelte es.
    Beide Pferde konnten erst wenige Jahre alt sein, makellose Tiere mit mondhell schimmerndem Fell und großen glänzenden Augen. Es waren zwei der berühmten blauen Pferde , von denen Wittiges schon gehört hatte, die schönsten der Schönen, die in einer besonderen Herde gehalten wurden. Unter anderen Umständen wäre der Anblick eine Freude gewesen. Jetzt war er eine Folter. Wittiges hielt nur mühsam an sich, als ihnen die Kehlen durchgeschnitten wurden. Eins reckte den Hals, aus dem das Blut in einem breiten Schwall hervorsprudelte, und schrie markerschütternd in seiner Todesqual, bevor es zusammenbrach. Mit langen Stangen wurden die toten Pferde in die Gruben gehebelt. Kinder brachten Zweige frischen Grüns und warfen sie auf die

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