Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
Vom Netzwerk:
noch nicht abgereist.
    „Baian hält den Nichtangriffspakt ein. Er wollte nur zeigen, dass er durchaus in der Lage ist, die fränkischen Stützpunkte an Donau und Inn zu überrennen und dem Erdboden gleichzumachen.“
    „Danke, dass du uns die Lage verständlich machst. Damit hab ich nämlich Schwierigkeiten“, bemerkte Sidorius trocken. „Würdest du uns nun entschuldigen?“
    Venantius hat recht, dachte Wittiges. Das ist die einzig mögliche Erklärung.
    Ohne sich die Verärgerung über den Hinauswurf anmerken zu lassen, zog sich Venantius zurück.
    „Und was denkst du wirklich?“, fragte Wittiges, sobald sie allein waren.
    Sidorius ließ sich mit der Antwort Zeit. Er spielte mit dem Weinbecher, einem schönen, aus Silber getriebenen Stück, an dem Wittiges kunstvolle Ornamente wahrnahm, bis ihm aufging, dass es ein awarisches Erzeugnis war.
    „Ich habe die Sache mit deinem Pferd vernommen. Das kann dir nicht gefallen haben, deinen Hengst zu opfern. Als du hier ankamst, hab ich gleich bemerkt, wie sehr du an ihm hingst. Wenn Baian etwas mit dir teilt, dann die Liebe zu Pferden. Du hast es vielleicht nicht gewollt, aber mit diesem Opfer hast du seine Achtung errungen. Vielleicht hast du uns alle damit gerettet.“
    „Nette Erklärung“, entgegnete Wittiges bitter. „Hört sich richtig gut an. Auf einmal bin ich ein Held.“
    Versonnen sah ihn Sidorius an. „Du haderst noch, aber das vergeht. Was ist mit deiner Hand? Du reibst sie ständig.“
    Seit der Nacht mit der Awarin stach sich Wittiges täglich die Handfläche mit ihrer Fibel blutig. Der Schmerz war eine selbst auferlegte Buße, die ihm eine seltsame Erleichterung verschaffte. Das konnte er Sidorius unmöglich eingestehen.
    „Nur ein Kratzer, der schlecht heilt. Glaubst du wirklich, die Awaren lassen Passau nun in Frieden?“
    Ein Schatten tiefer Besorgnis glitt über Sidorius’ Miene. „Ich hoff’s. Gleichviel. Für dich wird es Zeit abzureisen. Du hast getan, was du konntest. So mancher andere hätte sich gegen Baian schlechter behauptet.“
    Glaub’s nur, dachte Wittiges, ich wette, Gogo und Brunichild sehen das nicht so.
    Am Abend wurde Kursich an einem ungewöhnlichen Ort entdeckt. Er hing an der Außenmauer des Kastells, einen Strick um den Hals, das Gesicht aufgedunsen und blaugrau verfärbt. Wittiges weinte ihm keine Träne nach.
    10
    Bischof Aegidius von Reims war doch noch eingetroffen und hoffte, die kleine Grenzstreitigkeit, die ihm Sorgen bereitete, gütlich regeln zu können, da er viel Wert auf gute Nachbarschaft legte, wie er ausdrücklich betonte.
    Chilperich verkniff sich die Bemerkung, dass nach der Absage niemand mehr mit ihm gerechnet hatte. Anscheinend hatte Aegidius regelrecht die Angst gepackt. Denn sollte Chilperich nach dem Attentat auf die gar nicht abwegige Idee kommen, in die Grenzregion zu Austrasien einzufallen und sie zu erobern, würden alle dort gelegenen, noch von Sigibert oder Brunichild übertragenen Königslehen erst einmal an den neuen Herrscher fallen, der sie nach Gutdünken neu vergeben konnte, sehr zum Schaden von Aegidius’ Diözese, die damit so gut wie unregierbar würde. Ganz sicher lag Aegidius an guter Nachbarschaft.
    Chilperich lächelte hinterhältig, während er die Möglichkeiten eines solchen Grenzkriegs erwog. Leutselig begrüßte er den späten Gast samt seinem Gefolge aus gut und gern vier Dutzend Priestern, Diakonen oder Novizen mit frisch geschorenen Tonsuren. Kaum einer von ihnen war älter als fünfundzwanzig, und alle wirkten überaus kräftig. Ihre Bewegungen verrieten sie: Es waren verkleidete Krieger, gewohnt, den ganzen Tag im Sattel zu sitzen. Dass Aegidius mit einer kleinen Streitmacht kam, bedeutete nur, dass er ein äußerst vorsichtiger Mann war.
    Chilperich fühlte ihm ein wenig auf den Zahn, indem er ihm beim ausgedehnten Mittagsmahl über das Attentat auf die Königin unterrichtete und hoffte, dass sein Gast zu erkennen gab, wie gut er darüber bereits Bescheid wusste.
    Aegidius erschrak sichtlich, aß nicht weiter und schüttelte abwehrend den Kopf, als müsste er sich gegen die furchtbaren Bilder wehren, die der Bericht in seinem Hirn hervorrief.
    Das Erschrecken des Bischofs mochte echt sein, sicher war sich Chilperich keineswegs. Schließlich konnte er selbst sich ausgezeichnet verstellen und er wusste, dass sich kein Bischof, der sich nicht ausreichend aufs Tricksen und Täuschen verstand, lange auf seinem Posten zu halten vermochte. Der Bischof war etwa zehn Jahre

Weitere Kostenlose Bücher