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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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jünger als er und wirkte merkwürdig unauffällig. Weder die Statur, noch die Hände oder die Gesichtsfarbe wiesen darauf hin, ob der Mann ein ehemaliger Klosterbruder war und eine Karriere als vicarius oder comes hinter sich hatte. Das hätte bedeutete, dass er sowohl in der Verwaltung wie auch in der Kriegsführung erfahren war. Solche Männer waren ehrgeizig. War Aegidius ehrgeizig?
    Möglichst trocken berichtete Chilperich ihm, wie sehr sich bereits alle anderen Bischöfe bemüht hatten, den Vorfall aufzuklären, in den augenscheinlich ein Priester verwickelt war. Dann schwieg er.
    Aegidius fuhr zusammen, wandte den Kopf und starrte den König an.
    „Ich könnte“, stammelte er wie unter einem ungeheuren Zwang, „einen Blick auf den Mann werfen.“ Er seufzte tief auf. „Wenn dir damit gedient wäre.“
    „Nichts anderes hab ich von dir erwartet“, erwiderte Chilperich glattzüngig. „Wie ich sehe, hast du deine Mahlzeit beendet. Wäre es dir recht, wenn wir die Sache gleich erledigten?“
    Wieder kam Aegidius’ Antwort leicht verspätet. Mit einem weiteren Seufzer straffte er sich und stand auf.
    „Natürlich.“
    Die Leiche lag noch im Kerker. Fredegunds eigenmächtiges Vorgehen nahm Chilperich ihr ausgesprochen übel. Er hatte lange mit ihr darüber gestritten und während der lautstarken Auseinandersetzung endlich begriffen, wie tief sie der Angriff auf ihr Leben getroffen hatte. Da erst tat sie ihm wirklich leid, ihr Vorgehen konnte er dennoch nicht verzeihen. Das Resultat, das er Aegidius vorführen musste, warf kein gutes Licht auf sie.
    Aegidius blieb überraschend sachlich. Er inspizierte die abgetrennten Gliedmaßen, die jemand säuberlich neben die Leiche gelegt hatte, mit dem gleichen milden Interesse wie die noch nicht ganz getrocknete, gewaltige Blutlache, in der der Tote lag. Seine Gewänder raffend, ging er in die Hocke.
    „Wenn man das Haupt auch noch abgetrennt hätte, müsste ich mich jetzt nicht so umständlich bücken“, murmelte er.
    „Erkennst du ihn?“, fragte Chilperich barsch, denn ihm ging die plötzliche Kaltschnäuzigkeit des anderen gehörig gegen den Strich. Ein Bischof sollte sich angesichts eines Toten, noch dazu eines Priesters, anders verhalten.
    „Ganz sicher bin ich mir nicht. Du da“ – Aegidius winkte eine der Wachen herbei –, „komm mit der Fackel näher und leuchte mir. Nun, der Tod verändert.“ Eine Weile starrte er schweigend auf den Leichnam, richtete sich wieder auf und wischte sich über die Augen. „Ich möchte, dass einer meiner Diakone einen Blick auf ihn wirft.“ Er nannte den Namen des Mannes und eine der Wachen wurde ausgeschickt, ihn zu holen.
    „Ich könnte den Kopf abschlagen, wenn das hilft“, bot einer der verbliebenen Wachsoldaten an, ein vierschrötiger Kerl mit Stiernacken. „Das Beil liegt noch dort.“ 
    Angelegentlich betrachtete Aedigius die Blutflecken auf dem Gewand des Mannes und schüttelte sich unauffällig. „Wer hat Recht über den Angeklagten gesprochen?“, fragte er leise. „Wer hat bestimmt, dass er diesen Tod stirbt?“
    Chilperich fluchte im Stillen. Was sollte er darauf antworten? Dass sein Weib im Blutrausch gehandelt hatte? „Würde es dir etwas ausmachen, mir mitzuteilen, wen du in ihm zu erkennen glaubst? Denn du hegst doch einen Verdacht, wenn ich mich nicht allzu sehr täusche. Dann könnten wir diesen scheußlichen Ort verlassen.“
    Energisch schüttelte Aegidius den Kopf.
    Immer stärker kam Chilperich zu der Überzeugung, dass Aegidius längst Bescheid wusste – über alles, was die unselige Geschichte betraf, und ganz sicher kannte er den Attentäter. War er selbst in den Anschlag verstrickt? Die beiden Männer verbrachten noch eine ungemütlich lange Zeit in nicht sonderlich einvernehmlichem Schweigen, dann endlich erschien der Diakon. Beim Anblick der Leiche zuckte er merklich zusammen, und es sah ganz so aus, als müsse er sich übergeben. Die Hand auf den Magen gepresst, wankte er ein paar Schritte rückwärts und holte scharf Luft.
    „Mein Gott, mein Gott!“, röchelte er. „O mein Gott!“ Er schlug die Hände vors Gesicht.
    „Wer ist es?“, fragte Aegidius, ohne das Entsetzen des Diakons weiter zu beachten.
    Der nuschelte etwas Unverständliches.
    „Sprich lauter!“, herrschte Aegidius ihn an.
    „Decius.“
    „Danke“, sagte Aegidius sachlich, „du kannst wieder gehen.“ Er wartete, bis der Diakon von einer der Wachen hinausgeführt worden war, dann deutete er auf den

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