Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
habe einige Fragen an Praetextatus, mit denen sich die Synode befassen soll.“
Merowech schrak zusammen. Bevor er etwas sagen konnte, warf Fredegund ein: „Praetextatus? Merowechs Pate? Was hat der alte Zausel denn verbrochen?“
Chilperich antwortete nicht, sondern stand auf. Fredegund beobachtete, wie ungelenk er auf die Füße kam. Am Hinterkopf standen die Haare wie ein Hahnenkamm hoch. Von seinen einst prachtvollen blonden Locken war nicht allzu viel übrig geblieben. „Ich geh austreten – und du“, fuhr er Merowech an, „packst deinen Kram zusammen und machst dich auf nach Poitiers. Morgen will ich dich hier nicht mehr sehen. Du bleibst so lange im Süden, bis ich dich zurückrufe. Und das kann lange dauern.“
Fredegund wartete, bis er den Raum verlassen hatte, lehnte sich zurück, sodass die Wölbungen ihrer Brüste sich vorteilhaft durch das Obergewand abzeichneten, und wandte sich an Merowech.
„Weißt du, was ihn so verärgert hat?“
Merowech schaute zum Fenster hinaus und antwortete nicht.
„Merowech?“
Er blieb stumm. So kam sie nicht weiter, dabei wäre es zu schön gewesen, wenn er sich umgewandt und ihre verführerische Pose wahrgenommen hätte. Bedauernd stand sie auf, trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Ich versteh deinen Vater oft genug selbst nicht. Je älter er wird, desto mehr nehmen seine Launen zu. Was mag er bloß haben?“
„Nichts“, antwortete Merowech zerstreut, „das dich etwas anginge.“
„Alles, was die Familie betrifft, geht mich etwas an.“ Sie legte ihm einen Arm um die Hüften. Unerwartet fasste er sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum.
„Ja, das glaube ich gern.“ Ein mutwilliger Funke glomm in seinem Blick auf. „Für wen hast du dich so schön gemacht? Für mich? Du duftest wie ein ganzer Rosengarten. Ich hab dich bis hierher gerochen.“ Er schnupperte an ihrem Haar, während er sie an sich presste. Sie genoss es, sie genoss es so sehr, begehrt zu werden! „Du bist ein zauberhaftes Geschöpf – rein äußerlich betrachtet“, raunte er ihr ins Ohr und küsste bedächtig ihren Hals. „Deine Schönheit verbirgt meisterlich die Kloake in deinem Innern.“
Aufgebracht stieß sie ihn von sich, aber er lachte nur aufreizend, hielt sie fest, ergriff ihre rechte Hand und drehte sie im Abendlicht, das durchs Fenster fiel, hin und her. „Weißt du, wenn einem erst einmal Blut an den Händen klebt, wird man es niemals wieder los, man kann sich noch so oft waschen. Du hättest den kleinen Priester den Rechtsgelehrten überlassen sollen. Das wäre viel vernünftiger gewesen. Jetzt glaubt selbst der letzte Zweifler, dass du beim Tod Gailswinthas und Sigiberts die Hände im Spiel hattest. Und weißt du was? Ich glaub’s auch.“ Eisig lächelnd gab er sie frei. „Gehst du nach Chalon? Um Guntram zu umgarnen, damit er sich für einen deiner Söhne als Erben erwärmt?“, erkundigte er sich. „Versuch’s nur. Dann sehen wir uns vielleicht dort wieder.“
Ehe sie ihm etwas entgegnen konnte, ließ er sie allein.
11
Seine ganze Würde als anstrustio vergessend, rannte Felix auf Aletha zu und umarmte sie stürmisch. „Ich hab so auf dich gewartet!“
„Ich weiß.“ Zärtlich küsste Aletha ihren Sohn Scheitel, hielt ihn ein Stück von sich weg und betrachtete das schmale Jungengesicht mit den dunklen Schatten unter den Augen, die verriten, wie unwohl er sich fühlte. Es war mehr als eine Woche vergangen, bis sie sich endlich auf den Weg nach Metz gemacht hatte. Bevor sie aufbrechen konnte, hatte sie eine Lieferung Rohwolle aus der Normandie abwarten müssen. Auf casa alba wurden Stoffe gewebt. In fünf Grubenhäusern standen Webstühle, an denen Mägde arbeiteten, die sie selbst ausgebildet hatte. Inzwischen war eine von ihnen so weit, sie in ihrer Abwesenheit vertreten zu können, aber die schönsten Muster für die fließenden Stoffe in leuchtenden Farben entwarf sie immer noch selbst. Die wertvollen Stoffe waren zwischen Reims und Marseille heiß begehrt. Fast zehn Jahre hatte sie gebraucht, um für ihr Tuch ein Handelsnetz aufzubauen, zu dem Zulieferer für Wolle und Farbsubstanzen ebenso gehörten wie Händler, die ihr die Ware abnahmen. Schade nur, dass sie für jeden Besuch am Hof Stoffe als Geschenke mitbringen musste. Nicht nur für die königliche Familie, sondern auch für hohe kirchliche und andere Würdenträger. Natürlich erhielt auch sie Geschenke, dieser ständige Austausch von Gaben gehörte zum Hofleben
Weitere Kostenlose Bücher