Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Dorf zu erreichen, wo sie Obdach fänden.
Gegen Abend verließ Samur ohne Erklärung die Gruppe und verschwand im Gebüsch neben dem Weg, die anderen ritten weiter. Als Wittiges sich schließlich fragte, ob sie den Awaren doch noch losgeworden waren, hörte er hinter sich scharfen Hufschlag. In vollem Galopp kam Samur ihnen nach, ein Pferd vor sich hertreibend. Voller Staunen erkannte Wittiges einen von seinen Falben, einen dreijährigen Hengst, auf dessen Rücken sich Ulf mit Mühe hielt, die Hände in die lange fliegende Mähne gekrallt. Vor Wittiges’ Stute hielt der Hengst jäh inne, stieg auf die Hinterhand, warf seinen Reiter ab und wieherte freudig.
Wittiges war außer sich vor Zorn. „Was fällt dir ein?“, herrschte er den Jungen an, der sich gerade aus dem Staub aufrappelte.
Samur grinste breit. „Hat Mut“, sagte er lapidar. „Ist uns ganze Zeit gefolgt. Nicht schlecht für kleinen Jungen.“
7
Was waren das für Männer? Felix kannte keinen von ihnen. Sie unterhielten sich in einer fremden Sprache, in der nur hier und da ein vertrautes Wort aufklang. Wie weit sie ihn am ersten Tag gebracht hatten, wusste er nicht, denn sie hatten ihn bis über den Kopf in eine Decke gehüllt, sodass er nichts mehr sehen konnte, und wie einen Sack auf einen Pferderücken geschnallt. Irgendwann schwanden ihm die Sinne. Als man ihn vom Pferd hob, kam er nur mühsam wieder zu sich. Jemand trug ihn in ein Zimmer und dort wurde er aus der Decke gewickelt und auf die Füße gestellt. Angestrengt lauschte er, während er hin- und herschwankend das Gleichgewicht zu wahren versuchte. Vor den Fenstern herrschte Dunkelheit. Felix hatte genug Zeit in Städten verbracht - vor allem in Metz - und kannte die Geräusche einer lebhaften Stadt, die auch nachts nie vollständig erstarben. Hier fehlten sie, nur Zikaden sangen draußen. Also befand er sich auf dem Land, wahrscheinlich auf einem abgelegenen Gutshof. Der Raum hatte verputzte Wände, blassrosa gestrichen, gehörte demnach zu einem vornehmeren Gebäude, vielleicht dem Hof eines Adligen. Während Felix den Blick gesenkt hielt, beobachtete er die Männer. Zwei von ihnen schlenderten auf ihn zu und packten ihn plötzlich.
Überrascht schrie er auf und wehrte sich mit aller Kraft. Was wollten sie von ihm?
Jetzt kam noch ein dritter hinzu.
Einer hielt ihn fest, die beiden anderen streiften ihm die Kleider ab, bis er völlig nackt war.
Sie stellten ihn auf einen Schemel. Nun traten auch die übrigen Männer heran, gingen um ihn herum und betrachteten ihn aufmerksam. Alle waren bewaffnet. Felix überlegte, ob er einem von ihnen wenigstens einen Dolch entreißen konnte, wenn nicht ein Schwert. Damit konnte er umgehen.
„Was wollt ihr von mir?“, schrie er. Keiner antwortete. Nur einer streckte die Hand aus und strich ihm über den rechten Schenkel - innen, ungefähr an der Stelle, wo eine kleine Narbe von einem Unfall zeugte.
Den ganzen Tag über hatte Felix nachgedacht, was ihn erwartete. Er war davon ausgegangen, dass man ihn für Bertho hielt. Man musste ihn für Bertho halten, etwas anderes war gar nicht möglich. Aber was würde man mit ihm anstellen?
Bertho war ein König, das sollte die Männer davon abhalten, ihn zu erniedrigen oder zu quälen. Wenn sie ihn töten wollten, dann hoffentlich rasch.
Warum wollten sie ihn nackt sehen?
Felix begann zu zittern.
Durch sein Leben am Hof wusste er genug über Männer, die sich mit Knaben vergnügten. Der Mann sagte etwas und lachte dreckig und laut, und da wusste Felix, was ihm bevorstand. Ehe sich der Mann versah, riss er ihm den Dolch aus der Scheide, aber noch bevor er zustechen konnte, schlug ihm jemand gegen die Schläfe, und er verlor abermals das Bewusstsein. Nur undeutlich spürte er noch die Hände, die nach ihm griffen ...
Wittiges konnte Ulf nicht zurückschicken, dafür war es zu spät. Deshalb nahmen die Reisenden ihn erst einmal mit. Nach einer Stunde erreichten sie ein elendes Köhlerdorf, das vor Schmutz nur so starrte, sodass sie es vorzogen, im letzten Tageslicht weiterzureiten. Obwohl es als gefährlich galt, verbrachten sie die Nacht im Wald und hielten abwechselnd Wache. Als Wittiges an der Reihe war, kroch Ulf zu ihm ans Feuer, das sie wegen der marodierenden Banden, vor denen die Köhler sie gewarnt hatten, so klein wie möglich hielten. Der Junge hatte sich als anstellig erwiesen. Ohne dass ihm jemand etwas sagen musste, hatte er Brennholz zusammengetragen, und er hatte auch die Quelle
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