Der Hüter des Schwertes
die Möglichkeit ergibt, gib der Königin die Blumen und sag ihr, dass Barrett bei uns ist. Frag sie, wo sie morgen sein wird, damit wir sie befreien können. Aber sag nichts, wenn Soldaten in der Nähe sind«, sagte Martil hastig.
Karia nickte nervös. »Aber ich bin doch manchmal so schüchtern. Was ist, wenn ich zu viel Angst habe, um etwas zu sagen?«
Martil dachte darüber nach und fand es wahrhaft ironisch. Er ohrfeigte sich selbst innerlich dafür, dass er keinen Text verfasst hatte, den Karia der Königin einfach hätte überreichen können. »Versuch es einfach. Es ist nicht schlimm, wenn es dir nicht gelingt«, sagte er in der Hoffnung, dass seine Worte sich als wahr erweisen würden.
Vorsichtig ritten sie in die Richtung, wo die Kutsche entlangfahren würde, und achteten darauf, die Zeremonie nicht zu stören. Allerdings taten andere Stadtbewohner das Gleiche und stellten sich auch an den Weg, den die Kutsche nehmen würde.
»Eure Majestät!«, rief Martil und nahm Karia auf die Schultern. »Zeig ihr deine Blumen«, zischte er.
Karia winkte mit ihrem etwas verschmutzten Blumenstrauß, in dem, so vermutete Martil, auch etwas Unkraut steckte.
Die Eskorte ritt vorbei, und einige verächtliche Blicke richteten sich auf sie. Die Kutsche war jetzt genau vor ihnen – eine bessere Gelegenheit würden sie nicht bekommen.
»Majestät!«, brüllte er.
»Haltet an!«, befahl jemand, und die Prozession hielt beinahe widerwillig an. Der Schlag der Kutsche befand sich direkt vor Martil und Karia. Er setzte sie wieder auf den Boden.
»Na los«, drängte er sie, doch sie zögerte. Die großen Pferde und die hohe Kutsche schüchterten sie ein. Die Königin öffnete den Wagenschlag und schaute hinaus. Martil bemerkte, dass er den Blick nicht von ihr wenden konnte. Nicht, dass sie die schönste Frau war, die er jemals gesehen hatte. Ihre Nase war ein bisschen zu lang, ihre Augenbrauen etwas zu dicht und ihr Kinn etwas zu kantig. Aber ihre Augen waren von einem hypnotischen Grün, und irgendetwas an ihr sprach ihn an. Er konnte nicht genau sagen, weshalb, aber sie anzusehen, verschaffte ihm ein merkwürdiges Gefühl im Magen.
»Die Königin wird deiner Tochter gestatten, ihren Strauß zu überreichen«, rief eine der Hofdamen. »Rasch jetzt!«
Karia wollte sich nur noch hinter Martils Bein verstecken. Diese Frau sah komisch aus und schien viel zu viele Juwelen zu tragen. Manche davon hingen sogar an ihren Ohren, wie Karia feststellte. Das tat bestimmt weh! Sie konzentrierte sich auf den Schmuck an den Ohren der Frau, atmete tief durch und lief zu der Kutsche. Ich kann ihr einfach die Blumen geben und weglaufen, dachte sie.
Ein Diener sprang vor, um die Stufen auszuklappen. Karia schreckte zurück, denn der Mann war merkwürdig angezogen. Seine Kleidung hatte die gleiche Farbe wie die Kutsche. Er verbeugte sich lediglich tief und zog sich zurück. Die Königin streckte ihre Hand aus, und bevor Karia wusste, was sie tat, kletterte sie die Stufen zur Kutsche hinauf. Das fiel ihr nicht leicht, doch schließlich stand sie auf der obersten Stufe und wollte der Königin die verschiedenen Blumen und Kräuter, aus denen der Strauß bestand, überreichen.
»Sie sind … ungewöhnlich, meine Liebe!«, sagte eine der Hofdamen, die die Blumen entgegennehmen wollte – doch Karia ließ den Strauß nicht los.
Die Königin lächelte sie unsicher an und ergriff erstmals das Wort. »Wie heißt du?«
Eine Sekunde lang wollte sie davonlaufen, aber Martil hatte gesagt, wie wichtig das hier war. Und sie wollte ihm helfen. Schließlich gab er sich auch Mühe, immer besser vorzulesen, und er hatte immer Zeit, um mit ihr Fangen zu spielen.
»Ich bin Karia«, sagte sie leise.
»Und ist das dein Vater?«
Karia wollte die Königin gerade aufklären, als sie sich daran erinnerte, wie wütend die Leute immer wurden, wenn sie diese Geschichte erzählte. Außerdem könnte es zu lange dauern, alles zu erklären, deshalb beschloss Karia, in der Eile nur das Nötigste zu sagen. »Er ist der beste Krieger der Welt. Er ist mit dem Drachenschwert und deinem Zauberer hergekommen, um dich zu retten. Aber er glaubt nicht, dass er dich aus dem Palast befreien kann.«
Die Königin riss die Augen auf; die Hofdamen waren fassungslos. Die Königin lächelte erneut, und dieses Mal war es ein sehr viel wärmeres Lächeln.
»Du bist ein sehr mutiges Mädchen, Karia. Lass ihn wissen, dass ich ankündigen werde, wo ich morgen bin. Sag ihm, dass er mich
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