Der Hüter des Schwertes
Frau und Kinder bevorzugten inzwischen das Landleben gegenüber dem engen Haus, das sie in der Stadt bewohnt hatten. Sein Bauch, der von Jahr zu Jahr etwas dicker wurde, verriet seine Vorliebe für die Erzeugnisse der örtlichen Landwirtschaft. Er genoss den Respekt der Gemeinde und bildete regelmäßig und mit einigem Geschick junge Milizrekruten aus, die er nach wenigen Jahren in die Städte schickte. Junge Rekruten und alte Bauern zu beeindrucken, war ihm an Aufregung genug, wenn er seinen monatlichen Sold bedachte.
Aber er hatte seinen Instinkt für Gefahren nicht verloren. Aus diesem Grund standen ihm die Nackenhaare zu Berge, als der Krieger mit den zwei Schwertern seinen Posten aufsuchte. Rasch hatte er seine drei Wachleute zusammengerufen, und gemeinsam hörten sie sich an, was der Mann zu berichten hatte.
»Also hast du sie alle getötet? Edil und seine Söhne liegen jetzt einfach tot im Wald herum?« Er konnte sich diese Nachfrage am Ende nicht verkneifen.
Der Mann richtete seinen Blick auf Hutter, dem ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
»Das habe ich gesagt«, wiederholte er.
Hutter dachte einen Moment lang nach. Wie ließ sich das jetzt regeln, ohne sich in Schwierigkeiten zu bringen?
»Nennst du mir deinen Namen?«, fragte er neugierig. Edil und seine Söhne waren keine besonders fähigen Kämpfer gewesen, aber vier gegen einen – das hätte für die meisten Männer ausgereicht.
»Martil. Ich war früher Kriegshauptmann im Heer von Rallora«, erklärte der Mann.
Irgendeine Erinnerung regte sich in Hutters Geist, so wie sein nachmittäglicher Imbiss sich in seinem Magen regte, seit der Krieger eingetreten war.
»Hauptmann Martil? Der Schlächter von Bellic?«, hauchte er.
Er sah, wie sich das Gesicht des Mannes kurz vor Zorn verzog, aber gleich darauf entspannten sich seine Züge wieder.
»Ja. Aber ich bevorzuge inzwischen einfach Martil«, sagte der Mann kühl.
Hutter ging darauf nicht ein. Wenn Edil den legendenumwobenen Kriegshauptmann angegriffen hatte, musste der närrische alte Halunke mit seinen brutalen Söhnen anscheinend den Preis dafür bezahlt haben. Und er selbst war damit ein heikles Problem los. Und das Beste an der Sache war, dass er gar nicht erst zu versuchen brauchte, den Krieger festzunehmen.
»Du kannst dich gern im Wald selbst davon überzeugen. Ich bin bei Pater Nott«, bot Martil an.
Hutter schnaubte. Er sah ein Problem gerade als gelöst an und würde sich wohl kaum freiwillig nach einem anderen umsehen. »Das ist nicht nötig! Sollen doch die Tiere an ihren verrottenden Kadavern ersticken. Wir sollten dir eine Auszeichnung dafür geben, dass du diese Schlangengrube ausgeräumt hast. Meine Akte über Edil und seine Söhne ist so dick wie mein neuer Konstabler hier. Viehdiebstahl, Wegelagerei – alles Mögliche. Wenn der Wald nicht so riesig wäre, hätte ich schon längst Befehl erhalten, das ganze Dorf aufzubieten, den Wald nach ihnen zu durchkämmen und sie zur Strecke zu bringen. Aber sie waren immer dumm genug oder klug genug, mit ihren Gaunereien nicht besonders erfolgreich zu sein. Deshalb war es nie der Mühe wert, sie ernsthaft zu verfolgen. Ich werde einen Bericht für meinen Hauptmann schreiben und mich dann erleichtert zurücklehnen.«
»Dann kann ich also gehen und mir Proviant besorgen?«, fragte Martil.
»Natürlich! Viel Vergnügen! Vielleicht laden wir dich später sogar noch auf ein Glas ein.«
Martil verließ das Gebäude mit einem Lächeln auf den Lippen; Karia war nicht erwähnt worden, und es war ihm auch lieb, wenn es so bliebe.
Die Milizsoldaten sahen Martil nach, wie er über die Straße und in das Gasthaus ging.
Hutters neuer Konstabler, ein schlaksiger Bursche namens Turen, brach das Schweigen.
»Sollen wir ihn beobachten, Wachtmeister? Irgendetwas ist da noch merkwürdig. Ich meine, wir brauchten vier Mann, um Hibbet, dieses schwarzbärtige Tier von einem Sohn, niederzuringen, als er zu viel getrunken hatte.«
Hutter gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Das ist Hauptmann Martil. Einer der Schlächter von Bellic. Man sagt, dass er berellische Axtkämpfer zum Frühstück verspeist. Und zum Nachtisch genehmigt er sich die Seelen ihrer verbliebenen, trauernden Familien. Edil und seine Söhne hatten nicht den Hauch einer Chance.«
Turen nickte skeptisch, während die anderen beiden zustimmend murmelten. Aber der junge Mann hatte noch eine weitere Frage.
»Wie genehmigt man sich denn eine Seele zum Nachtisch,
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