Der Hüter des Schwertes
Wachtmeister? Das ist doch bestimmt nicht schmackhaft?«
Hutter seufzte. »Vielleicht sollte ich dich einfach auf diesen Martil ansetzen. Du wirst ihn zornig machen, und schon wird er auch mein zweitgrößtes Problem gelöst haben.«
Cezar arbeitete gern allein. Wenn man ihn erst auf seine Ziele losließ, konnte ihn nichts aufhalten. Aber dies war kein Auftrag wie die anderen. Und zwar ganz abgesehen davon, wie viel dies König Markuz bedeutete: Wenn König Tolbert herausfand, dass der Streiter des berellischen Königs durch sein Land zog und rallorische Offiziere umbrachte, auch wenn es sich um in Ungnade gefallene Veteranen handelte, wäre das Grund genug, einen neuen Krieg zu führen. Außerdem würde er ohne die Hilfe von Bruder Onzalez seine Beute nicht mehr so einfach finden und töten können. Natürlich war es unmöglich, mit einem Angstpriester durch Rallora zu reisen, aber Onzalez verfügte über einen anderen, magischen Weg, wie man sich mit ihm in Verbindung setzen konnte. Cezar hatte sich in einem Stall versteckt, wo das bizarre Ritual keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Er hatte eine Ziege getötet und füllte eine flache Silberschale mit ihrem Blut. Dann sprach er Onzalez’ wahren Namen aus, den Zorva ihm verliehen hatte und der als Rune auf seinem Umhang prangte. Der Name stammte aus einer Sprache vergangener Zeiten, und Cezar musste ihn Dutzende Male üben, bevor er ihn korrekt und im richtigen Tonfall aussprechen konnte. Aber inzwischen konnte er es; ein Beweis dafür war, dass das Blut in der Schüssel zu wirbeln begann, schneller und schneller, bis es sich plötzlich beruhigte und so klar und weich wurde wie ein silberner Spiegel. Onzalez’ Gesicht – oder eher sein von der Kapuze verdecktes Gesicht – erschien auf der Oberfläche.
»Macord ist tot«, sagte Cezar ohne Umschweife.
»Reite jetzt nach Osten. Kriegshauptmann Snithe lebt im Dorf Quall. Er ist schwerer Trinker; es wird einfach sein. Aber du musst dich beeilen. Ich habe eine weitere Vision von unserem Gott empfangen, aus der ich entnommen habe, dass das, was du vollbringst, noch wichtiger ist, als wir gedacht haben. Einer dieser fünf Männer wird eine ernsthafte Bedrohung für uns sein. Setze dem ein Ende.«
»Wie Ihr befehlt.« Cezar senkte den Kopf. Als er wieder aufschaute, war Onzalez’ Gesicht verschwunden – samt dem Blut in der Schüssel.
Martil trank zwei Humpen von dem annehmbaren Bier und kaufte dann bei dem Wirt Hafer, Trockenfleisch, Salz, Früchte und Honigmandeln. Unter normalen Umständen würde er Letzteres nicht anrühren, aber er wurde das Gefühl nicht los, als könne er so etwas für Karia gut gebrauchen.
Die Bauern und Reisenden, die sich nach und nach in der Gaststube einstellten, blieben auf Abstand zu ihm. Eigentlich hatte er vorgehabt zu bleiben, bis er sich sicher sein konnte, dass Karia eingeschlafen war. Aber das Gasthaus füllte sich immer mehr, obwohl das Dorf recht klein war. Er fragte sich, was wohl der Grund dafür sein mochte – bis er einen Mann in der typischen Tracht eines Barden entdeckte, der sich in einer Ecke aufwärmte. Unwillkürlich stöhnte er auf. Barden bereisten das Land, brachten Neuigkeiten in kleine Dörfer wie dieses, aber auch in größere und richtige Städte. Dann trugen sie Geschichten vor in Form von Liedern, Gedichten oder beidem. Martil hatte kein Problem mit den Liedern, aber er hasste die Geschichten. Denn erstens gab es zu viele davon, in denen er vorkam – und zweitens waren sie, was ihn noch mehr störte, niemals wahr. Die Barden, die diese Geschichten schrieben oder vortrugen, waren nie auch nur in der Nähe eines Schlachtfeldes gewesen – und folglich handelten ihre Lieder und Gedichte in erster Linie von Heldentum und Aufopferung; nie kamen die zerfetzten Gedärme zur Sprache. Er hasste sie, weil er sie einst gemocht und ihnen geglaubt hatte – bis er sich zum Dienst gemeldet und die Wahrheit erfahren hatte. Er seufzte. Er hatte schon gehen wollen, bevor er gewusst hatte, dass er sich einen Haufen Geschichten würde anhören müssen. Es waren Nächte wie diese, wenn er Männer sah, die alte Freunde trafen und mit ihnen bei ein paar Krügen Bier Geschichten austauschten, in denen er seine Einsamkeit am stärksten spürte.
Einst hatte er Freunde gehabt. Aber sie waren getötet worden, und er war Hauptmann geworden. Und wenn man einmal als Hauptmann in den Krieg gezogen war, hatte man keine Freunde mehr. Man hatte Männer, die Befehle ausführten;
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