Der Hüter des Schwertes
unterwegs aufgehalten oder getötet worden wäre. Aber das hieß nur, dass man ihn ein wenig später umbrachte. König Markuz würde eine Herausforderung seiner Autorität niemals hinnehmen. Und ebenso wenig würde der Graf jemals zu Zorva übertreten. Byrez war seinem König mit Begeisterung in den Krieg gefolgt, der in einer ruhmlosen Niederlage und Demütigung geendet hatte. Aber was zu viel war, war zu viel.
»Ihr habt mich rufen lassen, Herr?«, sagte sein Freund Pater Saltek, der Priester seines Sprengels.
»Der König steht kurz davor, das Land für immer zu zerstören«, erklärte Byrez ernst. »Wir sollen uns dazu bekehren, Zorva anzubeten. Der König hatte einen Angstpriester zu der Versammlung bestellt, an der ich auf Befehl teilnahm.«
»Der gute Aroaril stehe uns bei!«, stöhnte Saltek.
»Dafür ist jetzt keine Zeit«, sagte Byrez unwirsch. »Wir werden ein Blutbad erleben, gegen das die Rallorischen Kriege ein Kinderspiel waren. Und es wird hier beginnen. Der König ist wahnsinnig, und niemand will ihn aufhalten. Sie stimmen ihm lieber zu und lassen sich auf die Ausgeburt des Bösen ein, statt für das einzustehen, was recht ist. Ihr müsst Euch verbergen. Die Angstpriester werden als Erstes alle Priester ausmerzen, derer sie habhaft werden können. Das Licht Aroarils darf in Berellia nicht verlöschen. Einige gute Menschen werden übrig bleiben. Wir müssen hoffen, dass wir eines Tages wieder ein normales Land sein können.«
»Aber, Herr, was soll aus Euch werden und meinen Verpflichtungen hier?«
»Ihr seid von allem entbunden. Jetzt gilt die einzige Verpflichtung Aroaril. Nehmt dieses Geld und sucht Euch Unterschlupf, mein Freund – bevor sie uns beide bekommen.«
Pater Saltek umarmte den Grafen, der davon zu überrascht war, um ihm Einhalt zu gebieten.
»Wir werden uns wiedersehen, Herr«, sagte der Pater gerührt.
Byrez winkte ihn fort. Er hatte andere Sorgen. Er konnte Pater Saltek retten. Aber er bezweifelte, dass er sich selbst oder seine Familie retten konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Cezar an sein Tor klopfte.
Martil hoffte, sich ein wenig entspannen zu können, als sie wieder in ihren Räumen waren. Karia verhielt sich zunächst ruhig, doch als das Käsebrot aufgegessen war, stand ihr nicht der Sinn danach, ihm Zeit für ein Schläfchen zu lassen – und gewiss nicht die Zeit, die er gebraucht hätte, um sein weiteres Vorgehen zu bedenken.
»Mir ist langweilig. Was sollen wir machen?«, wollte sie wissen, während sie neben ihm auf und ab hüpfte.
»Bist du nicht müde?«, jammerte er.
»Nein! Denk dir etwas aus!«, schrie sie ihm ins Ohr.
Gähnend beschloss Martil, Tomon zu satteln und durch die Stadt zu reiten. Danir konnte warten. Überhaupt hatten sie noch jede Menge Zeit. Die Grenze war mehrere Tagesritte entfernt. Im Wirtshaus hatte man ihnen etwas zu essen eingepackt, weil sie nicht zum Mittagessen im Speisesaal wieder zurück sein würden. Tomon war gefüttert, sein Fell gestriegelt und sein Sattel gesäubert worden. Und er roch frisch, stank nicht. Daher war der Ritt sehr angenehm. Martil fiel jedoch auf, dass die Stimmung auf den Straßen heute eine andere war. Gestern waren die Leute herumgehetzt, als hätte es jeder überaus eilig, sein Ziel zu erreichen. Heute standen sie in kleinen Gruppen zusammen und schauten sich oft um, als bedrücke sie irgendeine Angst. Die Miliz war anscheinend überall gleichzeitig; offenbar hatte sie alle verfügbaren Kräfte im Einsatz. Martil sorgte dafür, dass Karia immer etwas zu essen im Mund hatte, wenn sie einer Patrouille begegneten, damit sie nicht mit irgendwelchen Ausrufen deren Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er konnte nicht genau ausmachen, was es mit dieser Veränderung auf sich hatte, doch er wusste, woran sie ihn erinnerte: eine Stadt in der Nähe eines Schlachtfelds, die gerade von der Niederlage ihrer Seite am vorherigen Tag erfahren hatte, sodass niemand wusste, was die Zukunft für ihn bereithielt. Aber das konnte es ja kaum sein. Es war allgemein bekannt, dass es für die Norstaler keine Bedrohung gab. Trotzdem wurde Martil das Gefühl nicht los.
Er machte noch ein paar Besorgungen, kaufte Karia ein paar zusätzliche Puppen zum Spielen, einen hölzernen Kreisel, einen kleinen Lederball und eine bessere Haarbürste. Er hatte sich auch ein paar Bilderbücher ausgesucht, und es graute ihm schon davor, sie vorlesen zu müssen. Schnulzige, lächerliche Geschichten, ein einziger Unfug über noble Prinzen und
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