Der Hüter des Schwertes
was vor sich ging. Das lag zum einen daran, dass sie sehr fleißig aß; zum anderen war sie etwas eingeschüchtert, weil einige Männer aus Aviland am Tisch hinter ihnen sehr laut waren. Während ihrer Mahlzeit wurden diese Männer immer lauter, sie fluchten und lachten. Martil dachte darüber nach, Darry zu bitten einzuschreiten. Er erkannte jedoch, dass das dem Gastwirt nur Ärger verschaffen würde. Daher beschloss er, es wäre das Beste, wenn sie auf ihr Zimmer gingen. Zum Nachtisch konnten sie später wieder herunterkommen.
»Lass uns gehen«, sagte Martil und legte Messer und Gabel auf den Tisch.
Weil man es beim Aufstehen nun mal so machte, schob sie ihren Stuhl nach hinten – und stieß gegen den Stuhl des avischen Wachmanns hinter ihr. Normalerweise hätte der Mann es kaum bemerkt, aber er hatte im gleichen Augenblick eine Kanne Bier an den Hals gesetzt. Jetzt lief ihm das Bier übers Gesicht statt durch die Kehle.
Fluchend sprang er auf, um zu sehen, wer seinen Stuhl gerammt hatte. Wie die meisten seiner Landsleute war er groß und hatte blonde Haare. Sein Bart war von beeindruckender Länge, allerdings jetzt verschmutzt und von Bier durchnässt. Sein Gesicht war vor Wut rot angelaufen, und seine blauen Augen hatten sich gerötet.
»Du kleine …«, brüllte er und holte zu einem Schlag aus.
»Rühr sie an, und du hast nur noch eine Hand für den Bierkrug!«, blaffte Martil und sprang ebenfalls auf.
Der Aviländer sah Martil an. »Ich hoffe, du hast genug Geld, um mir neue Kleider und Bier für den Rest der Nacht zu kaufen. Dann könnte ich einem kleinen Mädchen und seiner Großmutter vielleicht verzeihen«, spottete er.
Martil sah, dass Darry schon kam, um den Streit beizulegen. Martil könnte ihn einfach bitten, dem Aviländer ein frisches Bier zu bringen, sich selbst eines genehmigen und dann einfach verschwinden. Er zog es für einen Moment in Betracht, dann grinste er den Mann aus Aviland an.
»Ich würde dir ja ein Bier spendieren, aber ich glaube, Hunde sind hier nicht erlaubt«, sagte er gelassen.
Der Aviländer brauchte einen Moment, um die Beleidigung zu verstehen, dann knurrte er und nickte seinen Gefährten zu, die ihre Stühle ebenfalls zurückschoben. Martil stand seelenruhig da, hatte die Hände aber in der Nähe seiner Schwertgriffe. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Darry die Milizsoldaten drängte einzuschreiten. Sie waren jedoch zu beschäftigt damit, über ihr Bier nachzusinnen.
»Ich hoffe, ihr Aviländer seid tatsächlich so gute Krieger, wie ihr glaubt«, sagte eine fremde Stimme eine Sekunde, bevor im Schankraum die Hölle losgebrochen wäre.
»Was?« Der Aviländer wollte den Augenkontakt mit Martil nicht abbrechen. Martil wollte ebenso wenig den Blick abwenden, also wandte sich keiner ab, um zu erfahren, wer der Sprecher war.
»Ihr seid im Begriff, euch mit Hauptmann Martil anzulegen!«
Martil konnte nicht umhin, sich befriedigt zu fühlen, als er sah, welche Reaktion sein Name auf die Aviländer hatte. Vielleicht hatte er irgendwann einmal gegen die Einheit des Mannes gekämpft. Der Mann wurde blass, ihm fiel die Kinnlade herunter, und seine beiden Gefährten überlegten nicht lange und setzten sich prompt wieder hin.
»De… der Schlächter von Bellic?«, krächzte er.
»Nur meine Freunde nennen mich so«, knurrte Martil.
Der Aviländer wägte seine Möglichkeiten ab. Martil war nicht nur dafür bekannt, ein unaufhaltsamer Schwertkämpfer zu sein, sondern der Raum war außerdem voller rallorischer Krieger. Daher fiel die Entscheidung schließlich nicht schwer.
»Deine Tochter hat mich überrascht. Ich habe voreilig reagiert. Ich bitte um Verzeihung. Vielleicht trinken wir etwas zusammen und vergessen den ganzen Zwischenfall?«, fragte er schroff.
Martil war nicht darauf aus, ihn ungeschoren davonkommen zu lassen, aber der Mann, der sich eingemischt hatte, trat vor und in sein Blickfeld.
»Hauptmann Martil«, salutierte er, und Martil starrte den mittelgroßen Mann an. Er hatte eine rote Haarmähne, eine Nase, die wenigstens einen Bruch hinter sich hatte, und grüne Augen. Er kam ihm nur sehr entfernt bekannt vor. »Wachtmeister Nerrin. Ich bin deinem Regiment kurz vor der Schlacht von Shadar beigetreten. Dort hast du mir das Leben gerettet, als du den letzten Gegenangriff geführt hast. Ich war nur sechs Monate unter deinem Kommando, bevor du mich zur Beförderung vorgeschlagen hast, als der König eine neue Division unter Kriegshauptmann Macord eingerichtet
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